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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Sergeant Stratton habe an seinem letzten Tag pausenlos einige Worte vor sich hin gemurmelt, immer wieder, als handle es sich um eine Beschwörung.
Lieber begehe ich Selbstmord, als lebend in die Hände der Xhosakrieger zu fallen.
    Genau so konnte Henning Klopper seine eigene Situation als Bure in einem mehr und mehr von den Engländern dominierten Südafrika verstehen.
    Es war, als müßte er plötzlich erkennen, daß auch er vor Sergeant Strattons Wahl stand.
    Unterwerfung, hatte er gedacht. Nichts kann schlimmer sein, als unter Verhältnissen zu leben, die man selbst nicht beeinflussen kann. Mein Geschlecht, mein Volk, wird gezwungen, unter englischen Gesetzen, englischer Anmaßung, englischer Verachtung zu leben. Überall wird unsere Kultur bedroht und planmäßiger Erniedrigung ausgesetzt. Die Engländer werden systematisch versuchen, uns in die Knie zu zwingen. Die größte Gefahr an der Unterwerfung ist, daß sie zur Gewohnheit wird, zur Resignation, die sich wie ein lähmendes Gift ins Blut schleicht, vielleicht sogar unmerklich für den Betroffenen. Dann ist die Unterwerfung |14| abgeschlossen. Die letzte Bastion ist gefallen, das Bewußtsein ist getrübt und stirbt langsam ab.
    Bisher hatte er noch nie mit Hans du Pleiss und Werner van der Merwe über seine Gedanken gesprochen. Aber er hatte registriert, daß sie in ihren Gesprächen immer öfter in bittere und ironische Kommentare verfielen, wenn es um Untaten der Engländer ging. Der Zorn, der nur allzu natürlich gewesen wäre, der einst seinen Vater in den Krieg gegen die Engländer gezwungen hatte, war verpufft.
    Das hatte ihm angst gemacht. Wer, wenn nicht seine Generation, sollte den Engländern in Zukunft Widerstand entgegensetzen? Wer, wenn nicht er, würde die Rechte der Buren verteidigen? Oder Hans du Pleiss oder Werner van der Merwe?
    Die Geschichte von Sergeant Stratton hatte ihm etwas klargemacht, was er bereits wußte. Aber es war, als ob er seiner Einsicht nicht länger entkommen konnte.
    Lieber begehe ich Selbstmord, als mich zu unterwerfen. Weil ich aber leben will, müssen die Ursachen, die zur Unterwerfung führen können, beseitigt werden.
    So einfach und so schwer, aber so eindeutig war die Alternative.
    Er wußte selbst nicht, warum er gerade diesen Tag gewählt hatte, um seinen Freunden von Sergeant Stratton zu erzählen. Plötzlich hatte er gefühlt, daß er nicht länger warten konnte. Die Zeit war reif, lange genug hatten sie sich mit Zukunftsträumen und Plänen für Geburtstagsfeiern beschäftigt, wenn sie ihre Nachmittage und Abende im Stammcafé verbrachten. Es gab etwas, was wichtiger war als alles andere, etwas, was eine Voraussetzung für die Zukunft überhaupt war. Engländer, denen es in Südafrika nicht gefiel, konnten in ihr Mutterland zurückkehren oder sich andere Vorposten im scheinbar unendlichen britischen Imperium suchen. Aber für Henning Klopper und andere Buren gab es nichts anderes als Südafrika. Einst, vor fast 250   Jahren, hatten sie alle Brücken hinter sich abgebrochen, waren den religiösen Verfolgungen entkommen und hatten Südafrika als das verlorene Paradies gefunden. Ihre Entbehrungen hatten das Gefühl in ihnen wachsen lassen, ein auserwähltes Volk zu sein. |15| Hier, im äußersten Süden des afrikanischen Kontinents, lag ihre Zukunft. Entweder diese oder eine Unterwerfung, die eine langsame, aber unerbittliche Vernichtung bedeutete.
    Der alte Servierer hinkte mit einem Kaffeetablett heran. Mit zitternden Händen räumte er das benutzte Geschirr ab und stellte neue Tassen und eine Kanne Kaffee auf den Tisch.
    Henning Klopper zündete eine Zigarette an und sah seine Freunde an. »Versteht ihr nicht?« sagte er noch einmal. »Begreift ihr nicht, daß wir auch vor der Wahl stehen, die Sergeant Stratton in den Selbstmord trieb?«
    Werner van der Merwe nahm seine Brille ab und putzte sie mit einem Taschentuch.
    »Ich muß dich deutlich sehen, Henning Klopper«, sagte er. »Ich muß sichergehen, daß wirklich du es bist, der mir gegenübersitzt.«
    Henning Klopper wurde plötzlich wütend. Warum verstanden sie nicht, was er sagen wollte? Konnte es wirklich möglich sein, daß er so allein war mit seinen Gedanken? »Seht ihr nicht, was rund um uns geschieht?« fragte er. »Wenn wir nicht bereit sind, unser Recht, Buren zu sein, zu verteidigen, wer sonst wird es tun? Soll unser ganzes Volk zum Schluß so niedergedrückt und schwach sein, daß George Strattons Weg als die einzige Möglichkeit

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