Wallander 03 - Die weisse Löwin
Gläser und eine halbe Flasche Portwein auf den Tisch stellte.
»Du hast nicht um Verzeihung gebeten, Kaffer«, sagte Werner van der Merwe.
»Ich bitte um Entschuldigung für meine Ungeschicklichkeit«, antwortete der Servierer auf englisch.
»In Zukunft wirst du lernen,
afrikaans
zu sprechen«, sagte Werner van der Merwe. »Jeder Kaffer, der englisch spricht, wird vor ein Standgericht gestellt und wie ein Hund erschossen. Geh jetzt. Verschwinde!«
»Soll er uns doch zum Portwein einladen«, schlug Hans du |18| Pleiss vor. »Er hat dein Hemd bespritzt. Da ist es doch nur gerecht, wenn er den Portwein von seinem Lohn bezahlt.«
Werner van der Merwe nickte. »Hast du verstanden, Kaffer?« fragte er.
»Ich werde natürlich den Wein bezahlen«, antwortete der Servierer.
»Mit Vergnügen«, fügte Werner van der Merwe hinzu.
»Mit Vergnügen werde ich den Wein bezahlen«, wiederholte der Servierer.
Als sie wieder unter sich waren, kehrte Henning Klopper zum Thema zurück. Die Episode mit dem Servierer war bereits vergessen.
»Ich dachte mir, wir sollten einen Verband gründen, oder vielleicht einen Klub. Natürlich nur für Buren. Da können wir diskutieren und mehr über unsere eigene Geschichte lernen. In diesem Klub darf niemals Englisch gesprochen werden, nur unsere eigene Sprache. Dort werden wir unsere eigenen Lieder singen, unsere eigenen Schriftsteller lesen, unsere eigenen Speisen zu uns nehmen. Wenn wir hier in Kensington, in Johannesburg, beginnen, wird sich die Idee vielleicht ausbreiten. Nach Pretoria, Bloemfontein, King William’s Town, Pietermaritzburg, Kapstadt, überallhin. Was notwendig ist, ist eine Erweckungsbewegung. Eine Erinnerung daran, daß Buren sich niemals unterwerfen, ihre Seelen sich niemals besiegen lassen, mag der Körper auch sterben. Ich glaube, daß viele nur darauf warten, daß etwas geschieht.«
Sie erhoben ihre Gläser.
»Deine Idee ist ausgezeichnet«, sagte Hans du Pleiss. »Aber ich hoffe, daß wir trotzdem noch ein wenig Zeit erübrigen, um ab und zu hübsche Frauen zu treffen.«
»Natürlich«, erwiderte Henning Klopper. »Daran wird sich nichts ändern. Aber wir fügen etwas hinzu, was wir verdrängt haben. Etwas, was unserem Leben einen ganz neuen Inhalt geben wird.«
Henning Klopper spürte, daß seine Worte feierlich, vielleicht pathetisch klangen. Aber gerade jetzt erschien ihm das ganz richtig. Hinter den Worten standen große Gedanken, stand eine |19| Entscheidung für die Zukunft des ganzen Burenvolkes. Warum sollte er da nicht feierlich gestimmt sein?
»Meinst du, daß auch Frauen dabeisein sollten?« fragte Werner van der Merwe vorsichtig.
Henning Klopper schüttelte den Kopf. »Das ist nur für Männer«, antwortete er. »Unsere Frauen sollen nicht zu Versammlungen rennen. Das war niemals unsere Tradition.«
Sie stießen an, Henning Klopper wurde plötzlich klar, daß sich seine beiden Freunde bereits benahmen, als sei es ihre Idee gewesen, etwas von dem wiederaufleben zu lassen, was im Krieg vor sechzehn Jahren verlorengegangen war. Es irritierte ihn nicht. Im Gegenteil, er fühlte eine gewisse Erleichterung. Seine Gedanken waren also nicht ganz abwegig.
»Ein Name«, sagte Hans du Pleiss. »Statuten, Aufnahmeregeln, Versammlungsformen. Du hast dir doch sicher schon alles ausgedacht.«
»Es ist noch zu früh«, antwortete Henning Klopper. »Wir müssen gemeinsam überlegen. Gerade heute, wo es Zeit wird, das Selbstgefühl der Buren wieder aufzurichten, ist es wichtig, Geduld zu haben. Wenn wir zu schnell vorgehen, kann alles mißlingen. Und wir dürfen nicht scheitern. Ein Verband junger Buren wird die Engländer irritieren. Sie werden alles tun, um uns zu hindern, zu stören, abzuschrecken. Wir müssen gut gerüstet sein. Laßt uns lieber übereinkommen, daß wir innerhalb von drei Monaten einen Beschluß fassen. Während dieser Zeit werden wir unsere Gespräche fortsetzen. Wir treffen uns ja jeden Tag hier. Wir können Freunde dazu einladen und ihre Meinungen hören. Aber vor allem müssen wir uns selbst überprüfen. Bin ich bereit, das zu tun? Bin ich bereit, mich für mein Volk zu opfern?«
Henning Klopper verstummte. Sein Blick wanderte von einem Freund zum anderen. »Es wird langsam spät«, sagte er. »Ich bin hungrig und will nach Hause, zu Abend essen. Laßt uns das Gespräch morgen fortsetzen.«
Hans du Pleiss leerte den Rest des Portweins in die drei Gläser. Dann erhob er sich. »Trinken wir auf Sergeant George Stratton«, sagte er.
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