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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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»Laßt uns die unüberwindliche Stärke der Buren dadurch feiern, daß wir auf einen toten Engländer trinken.«
    |20| Die anderen standen auf und hoben ihre Gläser.
    Im Dunkeln vor der Küchentür stand der alte Afrikaner und beobachtete die drei jungen Männer. Der bohrende Schmerz über das erlittene Unrecht rumorte in seinem Kopf. Aber er wußte, daß das vorübergehen würde. Zumindest würde es dem Vergessen anheimfallen, das alle Sorgen betäubt. Am Tag darauf würde er den jungen Männern wiederum ihren Kaffee servieren.
     
    Gut einen Monat später, am 5.   Juni 1918, gründete Henning Klopper zusammen mit Hans du Pleiss, Werner van der Merwe und weiteren Freunden einen Verband, den sie
Das junge Südafrika
zu nennen beschlossen.
    Einige Jahre später, als die Mitgliederzahl erheblich gestiegen war, schlug Henning Klopper vor, den Verband in Zukunft
Broederbond
, Bruderschaft, zu nennen. Jetzt war es auch nicht mehr nur Männern unter fünfundzwanzig Jahren vorbehalten, sich anzuschließen. Frauen hingegen sollten niemals zu Mitgliedern werden können.
    Die wichtigste Änderung aber erfolgte in einem Konferenzraum des Hotels »Carlton« in Johannesburg, und zwar am späten Abend des 26.   August 1921.   Es wurde beschlossen, daß die Bruderschaft zum Geheimbund werden sollte, mit Initiationsriten und dem Gebot an seine Mitglieder, den wichtigsten Zielen des Verbandes unverbrüchliche Treue zu halten: die Rechte der Buren, des auserwählten Volkes, zu verteidigen, in Südafrika, dem Heimatland, über das man eines Tages wieder uneingeschränkt herrschen würde. Die Bruderschaft sollte von einer Mauer des Schweigens umgeben sein, ihre Mitglieder würden im verborgenen wirken.
     
    Dreißig Jahre später übte die Bruderschaft auf die wichtigsten Teile der südafrikanischen Gesellschaft einen nahezu totalen Einfluß aus. Niemand konnte Präsident im Land werden, ohne Mitglied der Bruderschaft zu sein oder deren Wohlwollen zu besitzen. Niemand konnte der Regierung angehören oder einflußreiche Positionen in der Gesellschaft bekleiden, ohne daß die Bruderschaft hinter der Ernennung oder Beförderung stand. |21| Priester, Richter, Professoren, Zeitungsverleger, Geschäftsleute: alle Männer von Einfluß und Macht waren Mitglied der Bruderschaft, alle hatten Treue geschworen und den Eid abgelegt zu schweigen, angesichts der großen Aufgabe, das auserwählte Volk zu schützen.
    Ohne diesen Verband hätten die Apartheidgesetze, die 1948 angenommen wurden, niemals verwirklicht werden können. Aber Präsident Jan Smuts und seine United Party brauchten nicht zu zögern. Mit der Bruderschaft im Rücken konnte die Trennung in sogenannte niedere Rassen und das weiße Herrenvolk durch ein aggressives System von Gesetzen und Verordnungen geregelt werden, das ein für allemal garantieren sollte, daß sich Südafrika so entwickelte, wie die Buren es wünschten. Es konnte nur ein auserwähltes Volk geben. Das war und blieb der Ausgangspunkt für alles weitere.
     
    1968 wurde in aller Heimlichkeit das fünfzigjährige Jubiläum der Bruderschaft gefeiert. Henning Klopper, der einzige Überlebende der Gründer von 1918, hielt eine Rede, die mit den Worten schloß: »Verstehen wir wirklich, in der Tiefe unseres Bewußtseins, welche unerhörten Kräfte heute abend hier in diesen vier Wänden versammelt sind? Zeigt mir eine Organisation mit größerem Einfluß in Afrika. Zeigt mir eine Organisation mit größerem Einfluß irgendwo auf der Welt!«
     
    Ende der siebziger Jahre verringerte sich der Einfluß der Bruderschaft auf die südafrikanische Politik dramatisch. Das Gerüst des Apartheidsystems, das sich auf die planmäßige Unterdrückung der Schwarzen und Farbigen im Lande stützte, begann aufgrund der ihm innewohnenden Unsinnigkeit zu verwittern. Liberale Weiße wollten oder konnten angesichts der nahenden Katastrophe nicht länger untätig bleiben und protestierten immer energischer.
    Aber vor allem die schwarze und farbige Mehrheit hatte genug. Das unerträgliche Apartheidsystem hatte die letzte Grenze überschritten. Der Widerstand wurde immer stärker, die Konfrontation rückte immer näher.
    |22| Inzwischen orientierten sich jedoch schon andere Kräfte unter den Buren in Richtung Zukunft.
    Das auserwählte Volk würde sich niemals unterwerfen. Lieber sterben, als sich irgendwann mit einem Afrikaner oder einem Farbigen an einen Tisch zu setzen und eine Mahlzeit mit ihm zu teilen, das war ihr Grundsatz. Die

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