Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
geöffnet, und der Mann kam wieder heraus. Er schaute sich um, und Wallander zuckte zurück. Dann hörte er, wie der Wagen mit heulendem Motor davonfuhr.
Jetzt wird er Alfred Harderberg berichten, dachte Wallander. Aber er wird nicht die Wahrheit sagen – wie soll er erklären, daß ich mich in der Wohnung befinde, das Licht ausmache und mich schlafen lege und dann doch nicht mehr da bin.
Es war jedoch nicht ausgeschlossen, daß der Mann etwas in der Wohnung hinterlassen hatte. Deshalb stieg Wallander in seinen Volvo und fuhr zum Polizeigebäude. Die Polizisten der Nachtschicht grüßten ihn erstaunt, als er die Anmeldung betrat. Er besorgte sich eine Matratze, die, wie er wußte, in einem Raum im Keller aufbewahrt wurde, und machte es sich dann in seinem Büro auf dem Fußboden bequem. Es war nach drei Uhr, und er war sehr müde. Er wußte, daß er nun schlafen mußte, um wieder klar denken zu können. Der dunkel gekleidete Mann folgte ihm in seine Träume.
Kurz nach fünf erwachte Wallander schweißgebadet. Alpträume hatten ihn gequält. Er blieb liegen und dachte an Lisbeth Norins Bericht. Dann erhob er sich und holte Kaffee, der bitter und abgestanden schmeckte. Es schien ihm immer noch nicht geraten, in seine Wohnung zurückzukehren. Er duschte im Umkleideraum. Kurz nach sieben saß er wieder an seinem Schreibtisch. Es war Mittwoch, der 24. November. Er erinnerte sich an das, was Ann-Britt Höglund vor ein paar Tagen gesagt |290| hatte: Wir haben alle Teile beieinander, können jedoch nicht erkennen, wie sie zusammenpassen.
Damit werden wir jetzt beginnen, dachte er. Wir werden die Teile zusammenfügen.
Er wählte Sven Nybergs Privatnummer. Sein Kollege war selbst am Apparat.
»Wir müssen uns treffen«, sagte Wallander.
»Ich habe dich gestern gesucht«, erwiderte Nyberg. »Niemand wußte, wo du warst. Wir haben Neuigkeiten.«
»Wer ist wir?«
»Ann-Britt Höglund und ich.«
»Über Avanca?«
»Ich habe sie um Hilfe gebeten. Ich bin Techniker, kein kriminalistischer Ermittler.«
»Wir sehen uns in meinem Büro, so schnell du kannst. Ich benachrichtige Ann-Britt.«
Eine halbe Stunde später saßen Nyberg und Ann-Britt Höglund in Wallanders Zimmer. Svedberg steckte den Kopf herein und schaute ihn fragend an. »Werde ich gebraucht?«
»FHC 803«, sagte Wallander. »Ich habe mich noch nicht darum kümmern können. Übernimmst du das für mich?«
Svedberg nickte und zog sich zurück.
»Avanca«, sagte Wallander auffordernd.
»Erwarte nicht zuviel«, sagte Ann-Britt Höglund. »Wir hatten nur einen Tag Zeit, um das Unternehmen und seine Eigentumsverhältnisse zu untersuchen. Aber es steht fest, daß es kein Familienunternehmen der Romans mehr ist. Die Familie hat ihren Namen und ihr Ansehen eingebracht und hält weiterhin gewisse Anteile, vermutlich ziemlich große. Aber Avanca gehört seit einigen Jahren zu einem Konsortium von verschiedenen Firmen, die alle irgendwie mit der Herstellung von Arzneimitteln, mit medizinischer Versorgung und der Ausrüstung von Krankenhäusern zu tun haben. Eine komplizierte Konstruktion von gegenseitigen Beteiligungen. Über dem Konsortium steht eine Holding mit Sitz in Liechtenstein. Sie heißt Medicom und ist ihrerseits in verschiedene Eigentümergruppen aufgeteilt. Darunter ist ein brasilianisches Unternehmen, |291| das sich hauptsächlich mit der Produktion und dem Export von Kaffee beschäftigt. Was jedoch viel interessanter ist – Medicom hat direkte finanzielle Beziehungen zur Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank.«
»Warum ist das so interessant?« fragte Wallander, der den Faden zu Avanca verloren hatte.
»Weil Alfred Harderberg eine Fabrik in Genua besitzt«, erläuterte Ann-Britt Höglund. »Dort werden schnelle Motorboote aus Kunststoff hergestellt.«
»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
»Warte es ab. Die Fabrik in Genua heißt CFP, was immer das bedeuten mag, und kommt ihren Kunden entgegen, indem sie Leasingverträge anbietet.«
»Avanca«, sagte Wallander. »Was interessieren mich italienische Kunststoffboote?«
»Sie sollten dich aber interessieren. Die Leasingverträge für die Schnellboote von CFP werden über die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank abgeschlossen. Also existiert eine Verbindung zu Alfred Harderbergs Imperium, die erste, die wir in diesen Ermittlungen überhaupt gefunden haben.«
»Für mich klingt das unglaublich«, sagte Wallander.
»Es könnte noch engere Beziehungen geben«, sagte sie. »Wir
Weitere Kostenlose Bücher