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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Es war noch kein Auto vorbeigekommen. Der Bussard saß nach wie vor auf seinem Zaunpfahl. Wallander sprang über den Straßengraben und landete im Matsch, der sofort an seinen Sohlen klumpte. Er maß die zwanzig Meter ab und schaute auf die Straße zurück. Das Lieferauto einer Fleischerei fuhr vorbei, kurz darauf kamen zwei Personenwagen. Der Regen wurde stärker. Wallander versuchte, das Geschehen zu rekonstruieren. Ein Auto mit einem älteren Fahrer ist mitten in einem Nebelgürtel. Plötzlich verliert der Mann die Kontrolle über das Fahrzeug, der Wagen kommt von der Fahrbahn ab, überschlägt sich ein- oder zweimal und bleibt mit den Rädern nach oben liegen. Der Fahrer sitzt angeschnallt auf seinem Platz. Tot. Er hat nur ein paar Schürfwunden im Gesicht, aber er ist mit dem Hinterkopf auf eine Metallkante geschlagen. Der Tod trat mit großer Wahrscheinlichkeit augenblicklich ein. Erst im Morgengrauen entdeckt ein Bauer von seinem Traktor aus, was geschehen ist.
    Er muß gar nicht schnell gefahren sein, dachte Wallander. Er kann die Kontrolle verloren und in Panik Gas gegeben haben. So schoß der Wagen mit einem Satz auf den Acker. Was Martinsson über den Unfallort geschrieben hat, ist vermutlich sowohl umfassend als auch korrekt.
    Als er zur Straße zurückgehen wollte, entdeckte er einen Gegenstand, der genau vor ihm lag, zur Hälfte im Lehm begraben. Er bückte sich und sah, daß es ein einfaches braungestrichenes Stuhlbein war. Als er es wegwarf, breitete der Bussard seine Schwingen aus und erhob sich in die Luft.
    Bleibt das Autowrack, dachte Wallander. Aber vermutlich ist Martinsson auch da nichts entgangen.
    Er kehrte zu seinem Wagen zurück, kratzte, so gut es ging, den Lehm von den Stiefeln und zog seine anderen Schuhe wieder |50| an. Auf der Fahrt nach Ystad überlegte er, ob er die Gelegenheit nutzen und seinen Vater und dessen neue Frau draußen in Löderup besuchen sollte. Aber er ließ es sein. Es war wichtiger, mit Frau Dunér zu reden und den Unfallwagen zu besichtigen, bevor er wieder zum Polizeigebäude fuhr.
    Er hielt an der O K-Tankstelle an der Einfahrt nach Ystad, trank eine Tasse Kaffee und aß ein belegtes Brot. Als er sich umschaute, dachte er, daß sich die schwedische Einsamkeit nirgendwo so deutlich offenbarte wie in den Imbißstuben an den Tankstellen. Er ließ den Kaffee stehen, von einer plötzlichen Unruhe erfaßt. Durch den Regen fuhr er in die Stadt hinein und bog am Hotel Continental zweimal nach rechts ab, um in die schmale Stickgatan zu kommen. Nach einem abenteuerlichen Parkmanöver stand der Wagen direkt vor dem Haus, in dem Berta Dunér wohnte, halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg. Wallander klingelte am Eingang und wartete. Es dauerte fast eine Minute, bis geöffnet wurde. Ein bleiches Gesicht erschien im Türspalt.
    »Ich heiße Kurt Wallander und bin Kriminalkommissar«, sagte er, während er in den Taschen vergeblich nach seiner Legitimation suchte. »Ich würde gern mit Ihnen sprechen, wenn es möglich ist.«
    Frau Dunér öffnete die Tür und ließ ihn ein. Sie reichte ihm einen Kleiderbügel für seine feuchte Jacke. Dann führte sie ihn in ein Wohnzimmer mit blankem Parkettfußboden und einem Panoramafenster, durch das man auf einen kleinen Garten an der Rückseite des Hauses schaute. Wallander sah sich um: Nichts in der Wohnung war zufällig; vom Möbelstück bis zum kleinsten Ziergegenstand war alles bis ins Detail abgestimmt.
    Sicher hielt sie die Anwaltskanzlei genauso in Ordnung, dachte er. Blumen zu gießen und Terminkalender zu führen, das sind vermutlich zwei Seiten derselben Sache – ein Leben ohne Überraschungen.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte sie mit unerwartet barscher Stimme. Wallander hatte sich vorgestellt, daß diese unnatürlich magere, grauhaarige Frau leise sprechen würde. Er ließ sich |51| auf einem altmodischen Rohrstuhl nieder, der knackte, als er sich zurechtsetzte.
    »Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?« fragte sie.
    Wallander schüttelte den Kopf.
    »Tee?«
    »Auch nicht. Ich möchte nur einige Fragen stellen und dann gleich wieder gehen.«
    Sie setzte sich auf die äußerste Kante eines geblümten Sofas auf der anderen Seite des Glastischs. Wallander merkte, daß er weder Stift noch Notizblock eingesteckt hatte. Er hatte auch nicht daran gedacht, wenigstens die ersten Fragen vorzubereiten. Es war so wichtig, daß es im Rahmen einer Ermittlung keine belanglosen Verhöre oder Gespräche gab.
    »Zuerst möchte ich

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