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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gezogen. Ein Anwalt war streng an einen Schweigeeid gebunden.
    Anwälte waren Träger vieler Geheimnisse.
    Nach einer Weile erhob er sich.
    Es war noch zu früh, irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen.
    Als er den Raum verließ, saß Sonja Lundin immer noch vor ihrem leeren Schreibtisch. Er öffnete die Tür zu Sten Torstenssons |47| Büro. Für einen Augenblick zögerte er, als läge der Leichnam des Anwalts noch auf dem Fußboden, wie er es auf den Fotografien im Ermittlungsbericht gesehen hatte. Aber es war nur eine Plastikfolie. Den Teppich hatten die Polizeitechniker mitgenommen.
    Das Zimmer glich dem des Vaters. Nur daß hier moderne Besucherstühle vor dem Schreibtisch standen.
    Auf der Tischplatte lagen keine Papiere. Wallander vermied es diesmal, sich in den Drehsessel zu setzen.
    Noch kratze ich nur an der Oberfläche, dachte er. Ich lausche und versuche gleichzeitig, meine Umgebung visuell aufzunehmen.
    Er verließ den Raum und schloß die Tür hinter sich. Svedberg war wieder da und bot Sonja Lundin ein Sandwich an.
    Dann hielt er Wallander die Tüte hin, der dankend ablehnte und auf das Sitzungszimmer zeigte.
    »Da tagen zwei Vertrauenspersonen von der Anwaltskammer«, sagte Svedberg. »Die gehen alle Dokumente durch, die wir hier gefunden haben, registrieren, plombieren und denken darüber nach, wie es weitergehen soll. Die Klienten müssen benachrichtigt und an andere Anwälte vermittelt werden. Torstenssons Kanzlei existiert nicht mehr.«
    »Wir müssen Zugang zu dem Material bekommen. Die Wahrheit über das Geschehene kann sehr wohl in ihren Klientenbeziehungen verborgen sein«, sagte Wallander.
    Svedberg runzelte fragend die Stirn. »Ihren? Du meinst wohl Sten Torstenssons. Denn der Papa hat sich ja totgefahren   …«
    Wallander nickte. »Du hast recht. Ich meine natürlich Sten Torstenssons Klienten.«
    »Eigentlich schade, daß es nicht andersherum ist«, sagte Svedberg.
    Wallander hätte diesen Kommentar beinahe unbeachtet gelassen, aber dahinter konnte etwas Wichtiges stecken.
    »Wieso?« fragte er erstaunt.
    »Weil der alte Torstensson offenbar sehr wenige Klienten hatte, während sein Sohn mit vielen Fällen beschäftigt war.«
    |48| Svedberg nickte in Richtung des Sitzungszimmers. »Die glauben, daß sie mehr als eine Woche brauchen, um fertig zu werden.«
    »Dann will ich sie jetzt nicht stören«, meinte Wallander. »Ich glaube, ich spreche lieber mit Frau Dunér.«
    »Soll ich mitkommen?«
    »Brauchst du nicht. Ich weiß, wo sie wohnt.«
    Wallander stieg ins Auto und startete. Er war unsicher und unentschlossen. Dann zwang er sich zu einer Entscheidung. Er würde die einzige Spur verfolgen, die er bisher kannte. Die Spur, auf die ihn Sten Torstensson bei seinem Besuch in Skagen hingewiesen hatte.
    Es muß da einen Zusammenhang geben, dachte Wallander, während er langsam nach Osten fuhr, Sandskogen passierte und die Stadt hinter sich ließ. Die beiden Todesfälle haben miteinander zu tun. Alles andere ergibt keinen Sinn.
    Er schaute auf die graue Landschaft hinaus. Ein schwacher Nieselregen hatte eingesetzt, und er stellte die Heizung eine Stufe höher.
    Wie kann man diesen Lehmboden nur mögen, dachte er. Und doch mag ich ihn. Ich bin ein Polizist, der mit dem Matsch als ständigem Begleiter lebt. Und der dieses Dasein gegen kein anderes tauschen will.
     
    Wallander brauchte über eine halbe Stunde, bis er an die Stelle kam, wo sich Gustaf Torstensson am Abend des 11.   Oktober totgefahren hatte. Er klemmte sich den Untersuchungsbericht unter den Arm und stieg aus. Aus dem Kofferraum holte er ein Paar Stiefel und zog sie an, bevor er sich umsah. Wind und Regen waren stärker geworden, er fror. Auf einem halb zerfallenen Zaun saß ein Bussard und starrte ihn an.
    Die Unglücksstelle wirkte selbst für schonische Verhältnisse ungewöhnlich trist. In der Nähe gab es keine Gehöfte, nur die braunen Felder dehnten sich endlos wie ein Wattenmeer. Die Straße führte geradeaus, bis sie hundert Meter weiter in eine Steigung und eine scharfe Linkskurve überging. Wallander breitete die Skizze der Unglücksstelle auf der Motorhaube aus |49| und verglich die Karte mit der Wirklichkeit. Der Unglückswagen hatte links von der Straße in etwa zwanzig Metern Entfernung umgestürzt auf dem Acker gelegen. Bremsspuren hatte man nicht festgestellt. Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschte dichter Nebel.
    Wallander legte den Bericht in den Wagen. Wieder stand er mitten auf der Fahrbahn und sah sich um.

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