Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Leider.«
»Ich glaube, von dir könnte ich eine ganze Menge lernen.«
»Das bezweifle ich stark.«
Um das Gespräch zu beenden, sprang Wallander auf und schob die Papiere und Aktenordner zusammen, die er von Martinsson bekommen hatte. Ann-Britt Höglund hielt ihm die Tür auf.
Als er sein Büro erreicht hatte, merkte er erst, daß er durchgeschwitzt war. Er zog Jacke und Hemd aus. Im selben Moment betrat Martinsson, ohne anzuklopfen, den Raum.
Als er den halbnackten Wallander erblickte, zuckte er erschrocken zurück. »Ich wollte dir nur den Bericht über Gustaf Torstenssons Unfall bringen«, sagte Martinsson. »Schon wieder hab ich nicht daran gedacht, daß es nicht mehr Hanssons Tür ist.«
»Ich bin immer noch so altmodisch«, erwiderte Wallander. »Klopf bitte an, bevor du eintrittst.«
Martinsson legte einen Schnellhefter auf den Tisch und verschwand hastig. Wallander zog das Hemd wieder an, setzte sich an den Schreibtisch und begann zu lesen.
Es war nach elf, als er den letzten Berichtshefter zur Seite legte.
Ratlos schüttelte er den Kopf. Wo sollte er ansetzen?
Er sah Sten Torstensson vor sich, wie er ihm am Strand von Jütland aus dem Nebel entgegengekommen war.
Er hat mich um Hilfe gebeten, dachte Wallander. Ich sollte herausfinden, was mit seinem Vater geschehen war. Ein Autounfall, der keiner war, auch kein Selbstmord. Er erwähnte psychische |43| Veränderungen des Vaters. Ein paar Tage später wurde er in seinem Büro erschossen. Er sprach davon, daß sein Vater sehr erregt gewesen sei. Aber ihm selbst war keine besondere Erregung anzumerken.
Mechanisch griff Wallander nach dem Block, auf den er Sten Torstenssons Namen geschrieben hatte. Jetzt fügte er Gustaf Torstensson hinzu.
Dann zog er eine Linie um die beiden Namen.
Er nahm den Telefonhörer ab und wählte aus dem Gedächtnis Martinssons Nummer. Nichts. Er versuchte es erneut, wieder vergebens. Nun wurde ihm klar, daß am internen Kommunikationssystem Veränderungen vorgenommen worden waren, seit er zuletzt das Telefon benutzt hatte. Er stand auf und trat auf den Gang. Martinssons Tür stand offen.
»Ich habe mir die Akten durchgelesen«, sagte er, nachdem er auf dem wackligen Besucherstuhl Platz genommen hatte.
»Wie du siehst, haben wir nicht viel«, sagte Martinsson. »Der oder die Täter dringen am späten Abend in Sten Torstenssons Büro ein und erschießen ihn. Es scheint nichts gestohlen worden zu sein. Die Brieftasche steckte noch in der Innentasche des Opfers. Frau Dunér, seit über dreißig Jahren in der Anwaltskanzlei, ist sicher, daß nichts fehlt.«
Wallander nickte gedankenversunken. Er grübelte immer noch, was an dem von Martinsson Gesagten oder Nicht-Gesagten seine Aufmerksamkeit erregt hatte. »Du warst der erste am Tatort?«
»Peters und Norén waren vor mir da. Sie haben mich dann gerufen.«
»Normalerweise hat man spontan einen ersten Eindruck. Woran erinnerst du dich?«
»Raubmord«, antwortete Martinsson, ohne zu zögern.
»Wie viele waren es?«
»Wir haben keine Spuren gefunden, weder in die eine noch in die andere Richtung. Aber es ist nur eine Waffe verwendet worden, da können wir ziemlich sicher sein, auch wenn noch nicht alle technischen Untersuchungen abgeschlossen sind.«
»Also ist ein Mann eingebrochen?«
|44| Martinsson nickte. »Meiner Meinung nach ja. Aber das ist ein Gefühl, weder bestätigt noch widerlegt.«
»Sten Torstensson wurde von drei Schüssen getroffen. Einer ins Herz, einer genau unterm Nabel in den Bauch, einer in die Stirn. Das deutet doch auf eine Person hin, die ihre Waffe wirklich beherrscht, oder?«
»Das ist auch meine Überlegung«, sagte Martinsson. »Aber es kann natürlich reiner Zufall sein. In einer amerikanischen Studie habe ich gelesen, daß blindlings abgegebene Schüsse genauso häufig töten wie gezielte.«
Wallander erhob sich vom Stuhl, blieb aber stehen. »Warum bricht man in ein Anwaltsbüro ein? Vielleicht, weil es immer heißt, Juristen verdienten so viel Geld. Aber glaubt wirklich jemand, daß das Geld in der Kanzlei auf dem Schreibtisch gestapelt liegt?«
»Das können dir nur ein oder zwei Personen beantworten.«
»Und die werden wir uns schnappen. Ich fahre hin und sehe mich einmal um.«
»Frau Dunér ist natürlich schwer erschüttert«, sagte Martinsson. »In weniger als einem Monat ist ihre ganze Existenz zusammengebrochen. Erst kam der alte Torstensson ums Leben. Sie hat kaum alle Formalitäten für die Beerdigung erledigt, da wird der
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