Wallander 07 - Mittsommermord
Isa Edengren noch stärker verschrecken können.«
»Ich glaube, Thurnberg ist sich über all dies im klaren«, sagte sie. »Ich bin im übrigen deiner Meinung, daß er arrogant wirken |333| kann. Was ihm wohl am meisten Sorge macht, ist dein Gesundheitszustand.«
»Er macht sich bestimmt um niemand anderen Sorge als um sich selbst. An dem Tag, an dem ich die Leitung der Ermittlung nicht mehr bewältigen kann, sage ich dir Bescheid. Das verspreche ich.«
»Diese Antwort muß Thurnberg genügen. Aber es wäre bestimmt gut, wenn er in Zukunft die Informationen bekommt, die er haben will.«
»Es wird mir in Zukunft schwerfallen, ihm Vertrauen entgegenzubringen«, sagte Wallander. »Ich vertrage allerhand. Aber nicht, wenn Leute hinter meinem Rücken agieren.«
»Er hat nicht hinter deinem Rücken agiert. Es ist natürlich, daß er zu mir kommt, wenn es ihm nicht gelingt, mit dir zu reden.«
»Keiner kann mich dazu zwingen, ihn zu mögen.«
»Das erwartet er auch nicht. Aber ich glaube, daß er reagieren wird, wenn die Ermittlungsgruppe Anzeichen von Schwäche erkennen läßt.«
»Was zum Teufel meinst du damit?«
Die Heftigkeit kam aus dem Nichts. Wallander konnte sich nicht beherrschen.
»Du brauchst nicht auf mich wütend zu werden. Ich erzähle dir nur, was passiert ist.«
»Wir haben fünf Morde aufzuklären«, sagte er. »Einen Täter, der nicht nur kaltblütig ist, sondern auch gut organisiert. Es gibt kein erkennbares Motiv. Wir wissen auch nicht, ob dieser Mann wieder zuschlägt. Einer der Toten ist ein Kollege aus unserem eigenen Kreis. Da, glaube ich, müssen wir damit rechnen, daß jemand dann und wann aus der Haut fährt. Diese Ermittlung ist keine Teegesellschaft. Mit abgespreiztem kleinem Finger.«
Sie lachte. »Das war eine neue Variante des Vergleichs mit der Teegesellschaft. Ansonsten wird er ja meistens bei Revolutionen bemüht.«
»Nur damit wir uns richtig verstehen«, sagte Wallander. »Nur darum.«
»Ich wollte nur, daß du sobald wie möglich informiert würdest.«
|334| »Dafür bin ich dir dankbar.«
Nach dem Gespräch ging Wallander zurück zum Sofa im Wohnzimmer. Sein Mißtrauen war nicht verschwunden. Im Kopf hatte er bereits angefangen zu planen, wie er gegen Thurnberg vorgehen könnte. Er fühlte etwas, was vielleicht der Wille zur Selbstverteidigung war, aber mindestens ebenso großes Selbstmitleid. Die Möglichkeit, von seiner Verantwortung entbunden zu werden, erschreckte ihn. Die Leitung komplizierter Verbrechensermittlungen konnte zuweilen fast unerträgliche Belastungen mit sich bringen. Aber das Gefühl, degradiert, von dieser Last befreit zu werden, war schlimmer.
Wallander mußte mit jemandem sprechen. Der ihm die moralische Unterstützung gab, die ihm im Moment fehlte. Wen konnte er anrufen? Martinsson oder Ann-Britt Höglund? Am liebsten wäre ihm Rydberg gewesen. Aber der lag in seinem Grab und hatte nichts mehr zu sagen. Auch wenn Wallander sicher war, daß er auf den stellvertretenden Staatsanwalt namens Thurnberg ganz genauso reagiert hätte.
Da dachte er an Nyberg. Sie tauschten selten oder nie Vertraulichkeiten aus. Aber Wallander wußte, daß Nyberg verstehen würde. Er war außerdem cholerisch und freimütig genug, um in der gegenwärtigen Situation hilfreich sein zu können. Am wichtigsten war jedoch, daß Wallander wußte, daß Nyberg ihn für einen guten Polizisten hielt. Er bezweifelte, daß Nyberg es unter einem anderen Ermittlungsleiter überhaupt aushielte. Auch wenn, formal gesehen, ein Staatsanwalt alle Fäden in der Hand hielt, so war Nyberg Polizist. Die Staatsanwälte waren Schattenfiguren an einer entlegenen Peripherie, die ihn eigentlich nichts angingen.
Wallander rief Nyberg an, der wie gewöhnlich gereizt klang, als er sich meldete. Wallander hatte schon mehrfach mit Martinsson darüber gesprochen, daß Nyberg sich nie freundlich anhörte, wenn er sich am Telefon meldete.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte Wallander.
»Was ist denn passiert?«
»Nichts, wenn du die Ermittlung meinst. Aber wir sollten uns einmal treffen.«
»Hat das nicht bis morgen Zeit?«
|335| »Nein.«
»Ich bin in einer Viertelstunde im Präsidium.«
»Lieber nicht. Treffen wir uns woanders. Ich dachte, wir könnten ein Bier zusammen trinken.«
»Willst du in die Kneipe? Was ist denn eigentlich los?«
»Hast du einen Vorschlag, wohin wir gehen können?«
»Ich gehe nie aus«, sagte Nyberg abweisend. »Jedenfalls nicht in Ystad.«
»Am Stortorg liegt
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