Wallander 07 - Mittsommermord
Sölvesborg einen Kiosk besaß und am Nachmittag vor Mittsommer am Naturreservat Hagestad gehalten hatte. Er war unterwegs zu einem Fest in Falsterbo und hatte gemerkt, daß er viel zu früh ankäme, wenn er nicht eine Pause machte. Er meinte sich an zwei Wagen erinnern zu können, die am Eingang des Reservats geparkt hatten. Aber was dem Mann genau aufgefallen war, erfuhr Wallander nicht.
Als er seine Frage an Martinsson gestellt hatte, fiel er in Ohnmacht.
Das Ganze kam vollkommen überraschend. Im einen Augenblick wedelte er mit dem Bleistift in Richtung Martinsson, und im nächsten sackte er auf dem Stuhl zusammen, und das Kinn sank ihm auf die Brust. Im ersten Moment begriff keiner, was passiert war. Dann reagierten Lisa Holgersson und Ann-Britt Höglund fast gleichzeitig, danach die anderen. Hansson gab später zu, er habe geglaubt, Wallander habe einen Schlaganfall erlitten und sei gestorben. Was die anderen glaubten oder befürchteten, erzählten sie nicht. Sie rückten den Stuhl vom Tisch ab und legten Wallander auf den Fußboden, öffneten ihm den Kragen und fühlten seinen Puls. Jemand stand schon am Telefon und rief den Krankenwagen. Doch bevor dieser eintraf, war Wallander bereits wieder zu sich gekommen. Sie halfen ihm auf die Beine, und schon da ahnte er, daß sein Blutzucker plötzlich so stark abgefallen war, daß er ohnmächtig geworden war. Er trank Wasser und nahm ein paar Zuckerstücke von einer Untertasse auf dem Tisch. Danach fühlte er sich wieder völlig normal. Alle Anwesenden betrachteten ihn besorgt und meinten, er solle ins Krankenhaus fahren und einen |327| Arzt konsultieren oder zumindest nach Hause fahren und sich hinlegen. Aber Wallander wollte weder das eine noch das andere. Er erklärte seinen Schwächeanfall mit mangelndem und schlechtem Schlaf und nahm die Leitung ihrer Sitzung mit solcher Energie wieder in die Hand, daß die anderen sich fügten.
Der einzige, der nicht mit Besorgnis oder Furcht reagierte, war Thurnberg. Er reagierte so gut wie gar nicht. Er stand vom Stuhl auf, als Wallander auf den Fußboden gelegt wurde, verließ aber seinen Platz am Tisch nicht. Keiner konnte sich erinnern, gesehen zu haben, daß die Ausdruckslosigkeit seines Gesichts sich verändert hätte.
In einer Pause ging Wallander in sein Büro und rief Dr. Göransson an. Als er ihm von seinem Ohnmachtsanfall erzählte, zeigte Dr. Göransson sich nicht nennenswert überrascht.
»Ihr Blutzucker wird schwanken«, sagte er. »Bis wir ihn auf ein stabiles Niveau gesenkt haben. Aber wenn Sie wieder ohnmächtig werden, müssen wir vielleicht die Medizin reduzieren. Achten Sie darauf, daß Sie immer einen Apfel zur Hand haben, falls Ihnen wieder schwindlig wird.«
Danach hatte Wallander immer ein paar Stück Zucker in der Tasche. Er kam sich vor wie ein Mann, der ständig damit rechnet, einem Pferd zu begegnen. Aber noch immer erzählte er niemandem von seiner Diabetes. Die blieb sein Geheimnis.
Ihre Sitzung zog sich bis fünf Uhr am Nachmittag hin. Aber am Ende hatten sie die bisher gründlichste Durchsicht der Ermittlungsergebnisse vorgenommen, und Wallander hatte das gute Gefühl, daß der Ermittlungsgruppe neue Energie zugeführt worden war. Sie hatten auch beschlossen, Hilfe aus Malmö anzufordern. Doch Wallander war sicher, daß die zentrale Ermittlungsarbeit von der um ihn versammelten Gruppe geleistet werden würde.
Thurnberg blieb am Tisch sitzen, nachdem ihre Sitzung beendet war. Wallander wußte, daß er ein Gespräch erwartete. Sehnsüchtig dachte er an Per Åkesson, der sich irgendwo im sonnigen Afrika befand. Er setzte sich auf die andere Seite des Tischs, an den Platz, an dem sonst Ann-Britt Höglund saß.
»Ich warte schon lange auf einen ausführlichen Bericht«, sagte |328| Thurnberg. Seine Stimme klang hell und schien jeden Augenblick brechen zu wollen.
»Das hätte natürlich geschehen sollen«, sagte Wallander freundlich. »Aber die Ermittlungslage hat sich in den letzten Tagen dramatisch verändert.«
Thurnberg ignorierte Wallanders Kommentar. »In Zukunft erwarte ich regelmäßig Berichte, ohne darum bitten zu müssen«, fuhr er fort. »Der Oberste Staatsanwalt zeigt automatisch Interesse, wenn ein Polizist getötet worden ist.«
Wallander sah keine Veranlassung, zu antworten. Er wartete auf eine Fortsetzung.
»Die bisherige Ermittlung kann man wohl kaum als so effektiv oder so umfassend bezeichnen, wie es erforderlich wäre«, sagte Thurnberg und zeigte auf eine
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