Wallander 07 - Mittsommermord
ein kleines Restaurant. Neben dem Antiquitätenladen. Da treffen wir uns.«
»Muß man in Anzug und Schlips kommen?« fragte Nyberg.
»Das glaube ich kaum«, gab Wallander zurück.
Nyberg versprach, im Laufe der nächsten halben Stunde dort zu sein. Wallander wechselte das Hemd und verließ die Wohnung. Er ließ seinen Wagen stehen und ging zu Fuß. Im Restaurant waren wenig Menschen. Auf seine Frage bekam er zur Antwort, daß sie bis elf Uhr geöffnet hatten. Als er die Speisekarte durchblätterte, war er erstaunt über die Preise. Wer konnte es sich eigentlich noch leisten, zum Essen auszugehen? Aber gleichzeitig dachte er, daß er Lust hatte, Nyberg zu einem guten Essen einzuladen.
Nach genau einer halben Stunde kam Nyberg. Im Anzug und mit Schlips. Außerdem waren seine Haare, die sonst in alle Richtungen abstanden, naß gekämmt. Der Anzug war alt und wirkte zu groß. Er setzte sich Wallander gegenüber.
»Ich habe nicht gewußt, daß es hier ein Lokal gibt«, sagte er.
»Es ist wohl noch nicht lange hier«, erwiderte Wallander. »Fünf Jahre vielleicht. Ich wollte dich zum Essen einladen.«
»Ich bin nicht hungrig«, sagte Nyberg.
»Es gibt ja kleine Gerichte«, beharrte Wallander.
»Dann wähl du aus«, meinte Nyberg und schob die Speisekarte fort.
Während sie auf das Essen warteten, tranken sie Bier. Wallander erzählte von seinem Telefongespräch mit Lisa Holgersson. Er gab es detailliert wieder. Doch er fügte auch das hinzu, was er selbst gedacht, aber nicht gesagt hatte.
»Eigentlich braucht man sich wohl nicht soviel daraus zu machen«, sagte Nyberg, nachdem Wallander geendet hatte. »Aber ich |336| verstehe natürlich, daß du dich aufregst. Was wir jetzt am wenigsten brauchen können, ist interner Krach. Wenn wir eine Chance haben wollen, diese Sache aufzuklären.«
Wallander spielte den Einsichtigen und tat, als stelle er sich auf Thurnbergs Seite.
»Vielleicht hat er recht. Vielleicht sollte ein anderer die Leitung übernehmen?«
»Und wer sollte das sein?«
»Martinsson.«
Nyberg sah ihn ungläubig an. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Dann Hansson.«
»In zehn Jahren vielleicht. Aber das hier ist die schwerste Ermittlung, die wir je hatten. Da kann man doch nicht damit anfangen, die Fahndungsleitung zu schwächen.«
Das Essen kam auf den Tisch. Wallander sprach weiter über Thurnberg. Aber Nyberg antwortete einsilbig und enthielt sich jeden eigenen Kommentars. Schließlich sah Wallander ein, daß er im Begriff war, zu weit zu gehen. Nyberg hatte recht. Es gab nichts mehr dazu zu sagen. Wenn es darauf ankam, würde Nyberg Wallander die Unterstützung geben, die nötig war. Vor ein paar Jahren, kurz nach Björks Weggang, hatte Wallander Nybergs persönliche Arbeitssituation bei Lisa Holgersson zur Sprache gebracht. Nybergs Situation hatte sich danach verbessert, aber sie hatten nie darüber gesprochen. Wallander war jedoch davon überzeugt, daß Nyberg über die Zusammenhänge im Bilde war.
Nyberg hatte recht. Sie sollten ihre Zeit und ihre Kraft für wichtigere Dinge nutzen, als ihre Verärgerung über Thurnberg zu pflegen.
Nach dem Essen bestellten sie noch ein Bier. Die Kellnerin sagte, dies sei die letzte Bestellung. Wallander fragte, ob Nyberg Kaffee haben wolle. Aber der lehnte ab.
»Ich trinke mehr als zwanzig Tassen Kaffee am Tag«, sagte er. »Um durchzuhalten. Oder vielleicht, um es auszuhalten.«
»Ohne Kaffee wäre Polizeiarbeit unmöglich«, meinte Wallander.
»Jede andere Arbeit auch.«
|337| Sie brüteten schweigend über die Rolle des Kaffees im Dasein. Einige Gäste an einem benachbarten Tisch standen auf und gingen.
»Ich glaube, etwas so Merkwürdiges wie diese Morde habe ich noch nie erlebt«, sagte Nyberg plötzlich.
»Ich auch nicht. Es ist brutal und sinnlos. Ich sehe kein Motiv.«
»Man könnte sich natürlich einen Lustmörder vorstellen«, sagte Nyberg. »Einen planenden Lustmörder. Der seine entsetzlichen Verbrechen inszeniert und arrangiert.«
»Ich schließe nicht aus, daß du recht hast«, sagte Wallander. »Aber wie kann Svedberg so schnell eine Spur aufgenommen oder einen Verdacht gehabt haben? Das verstehe ich nicht.«
»Dafür gibt es nur eine plausible Erklärung. Svedberg wußte, wer es war. Oder hatte zumindest einen wohlbegründeten Verdacht. Die Frage, warum er uns nichts davon erzählte, wird dann um so wichtiger. Sie wird ganz und gar entscheidend.«
»Also, daß es jemand war, den wir kannten?«
»Nicht unbedingt. Es
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