Wallander 07 - Mittsommermord
letzten Gäste. Nyberg zeigte seinen Polizeiausweis. Die Kellnerin betrachtete ihn skeptisch.
»Wir geben hier keinen Kredit«, sagte sie.
»Wir sind wirklich Polizisten«, protestierte Wallander. »Und jetzt habe ich zufällig meine Brieftasche vergessen.«
»Wir geben keinen Kredit«, wiederholte die Kellnerin. »Wenn Sie nicht bezahlen, muß ich Sie anzeigen.«
»Wo anzeigen?«
»Bei der Polizei.«
Wallander war im Begriff, ärgerlich zu werden, aber Nyberg beruhigte ihn. »Das kann ja interessant werden.«
|340| »Ich glaube, Sie rufen am besten die Polizei«, sagte Wallander freundlich.
Die Kellnerin schloß zuerst die Tür ab und ging dann zum Telefon. Dann kehrte sie an ihren Tisch zurück.
»Die Polizei kommt«, sagte sie. »Vorher dürfen Sie nicht gehen.«
Es dauerte fünf Minuten. Dann hielt der Streifenwagen vor dem Restaurant. Zwei Polizisten kamen herein. Der eine war Edmundsson. Er starrte Wallander und Nyberg an.
»Wir haben hier ein kleines Problem«, sagte Wallander. »Ich habe meine Brieftasche vergessen. Nyberg hat nicht genug Bargeld bei sich. Die Bedienung gibt keinen Kredit. Sie war auch von Nybergs Ausweis nicht sonderlich beeindruckt.«
Edmundsson verstand. Er bekam einen Lachanfall. »Wie hoch ist denn die Rechnung?« fragte er.
»Vierhundert Kronen.«
Er zog seine Brieftasche und bezahlte.
»Ich kann nichts dafür«, sagte die Kellnerin. »Mein Chef hat bestimmt, daß wir keinen Kredit geben dürfen.«
»Wer ist denn der Besitzer?« fragte Nyberg.
»Er heißt Fredriksson. Alf Fredriksson.«
»Groß und dick?« fragte Nyberg. »Wohnt er draußen in Svarte?«
Die Kellnerin nickte.
»Den kenne ich«, sagte Nyberg. »Der ist in Ordnung. Grüßen Sie ihn von Nyberg und Wallander.«
Der Streifenwagen war schon gefahren, als sie auf die Straße traten.
»Ein sonderbarer August«, meinte Nyberg. »Wir haben schon den 15. Und es ist noch immer sehr warm.«
Sie trennten sich an der Ecke der Hamngata.
»Wir wissen nicht, ob er noch einmal zuschlägt«, sagte Wallander. »Das ist das allerschlimmste.«
»Deshalb müssen wir ihn kriegen«, sagte Nyberg. »Und zwar so schnell wie irgend möglich.«
Wallander ging langsam nach Hause. Das Gespräch mit Nyberg hatte ihn inspiriert. Aber er spürte keine Freude. Ohne daß |341| er es sich ganz eingestehen wollte, hatten Thurnbergs Reaktion und das Gespräch mit Lisa Holgersson ihn deprimiert. Vielleicht war er ungerecht dem Staatsanwalt gegenüber? Vielleicht hatte Thurnberg recht? Daß ein anderer die Verantwortung für die Ermittlung übernehmen sollte?
Als Wallander nach Hause kam, kochte er Kaffee und setzte sich an den Küchentisch. Das Thermometer vor dem Fenster zeigte 19 Grad. Wallander holte einen Schreibblock und einen Bleistift. Dann suchte er eine Brille. Die erste, die er fand, lag unter dem Sofa.
Mit der Kaffeetasse in der Hand ging er ein paarmal um den Küchentisch, wie um in die richtige Stimmung für die Aufgabe zu kommen, die er sich stellte.
Er hatte noch nie eine Trauerrede auf einen Kollegen entworfen, der getötet worden war. Jetzt bereute er, die Aufgabe übernommen zu haben. Wie beschrieb man ein Gefühl, das darin seinen Ursprung hatte, daß er in einer Nacht vor einer Woche seinen Kollegen mit zerschossenem Gesicht auf dem Fußboden seiner Wohnung gefunden hatte?
Schließlich setzte er sich an den Tisch und machte einen Versuch. Er erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Svedberg. Es war über zwanzig Jahre her. Svedberg hatte schon damals eine Glatze gehabt.
Wallander kam etwa bis zur Hälfte. Dann zerriß er alles und begann noch einmal von vorn.
Es war bereits nach ein Uhr, als er fertig war. Diesmal war er mit dem Geschriebenen einigermaßen zufrieden.
Er trat auf den Balkon. Die Stadt war still. Er dachte an das Gespräch mit Nyberg und ließ seine Gedanken wandern. Plötzlich sah er Isa Edengren zusammengekauert in der Grotte sitzen, die sie geschützt hatte, als sie ein Kind war. Aber jetzt nicht mehr.
Wallander ging wieder hinein. Die Balkontür ließ er offenstehen.
Er wurde den Gedanken nicht los.
Daß der Mann dort draußen im Dunkeln wieder zuschlägt.
|342| 22
Es war ein langer Tag geworden.
Er hatte viele Pakete gehabt. Außerdem Einschreibebriefe und Geldsendungen aus dem Ausland. Erst gegen zwei Uhr war er mit der Buchführung fertig, die er am nächsten Morgen abgeben sollte.
In seinem früheren Leben hätte es ihn irritiert, wenn die Arbeit mehr Zeit in
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