Wallander 08 - Die Brandmauer
definitiv in Angola befindet. Und zum erstenmal sind dort Menschen aus der Nähe fotografiert. Menschen, die den Mittelpunkt des Bilds ausmachen. Irgendwo wird ein Fest gefeiert. Es sind Blitzlichtaufnahmen. Nur Weiße. Das Blitzlicht hat ihre Augen rot wie die Augen von Tieren gemacht. Gläser und Flaschen. Marianne Falk beugte sich vor und zeigte auf einen Mann mit einem Glas in der Hand. Er ist von ziemlich jungen Männern umgeben. Die meisten prosten und rufen dem Fotografen etwas zu. Aber Tynnes Falk sitzt schweigend da. Sie zeigt auf sein Gesicht. Er ist still und ernst. Er ist mager und trägt ein weißes Hemd, das bis zum Hals zugeknöpft ist. Die anderen Männer sind halbnackt und verschwitzt, mit geröteten Gesichtern. Wallander fragte noch einmal, ob Frau Falk keins der Gesichter erkenne. Aber sie schüttelte den Kopf.
Irgendwo hier ist eine Person mit einem Namen, der mit C anfängt. Falk ist in Angola geblieben. Falk ist von der Frau, die er liebt, verlassen worden. Oder hat nicht im Grunde er sie verlassen? Da sucht er sich so weit entfernt wie möglich eine Arbeit. Vielleicht um zu vergessen. Oder um seine Zeit abzuwarten. Etwas geschieht, das ihn bleiben läßt. Wallander drehte die Seite um. Tynnes Falk steht vor einer weißgekalkten Kirche. Er schaut den Fotografen an. Jetzt lächelt er. Zum erstenmal lächelt er. Hat außerdem das Hemd am Kragen aufgeknöpft. Wer steht hinter der Kamera? Kann es C sein?
Die nächste Seite. Falk ist wieder der Fotograf. Wallander beugte sich vor, näher ans Bild. Zum erstenmal sieht er ein Gesicht, das wiederkehrt. Der Mann steht sehr dicht an der Kamera. Groß, mager |311| und sonnengebräunt. Der Blick energisch. Das Haar kurzgeschnitten. Er könnte Nordeuropäer sein. Vielleicht Deutscher. Oder Russe. Dann studiert Wallander den Hintergrund. Das Bild ist im Freien aufgenommen. Ganz hinten am Horizont kann er Bergrücken mit dichter grüner Vegetation ahnen. Aber viel näher, gleich hinter dem Rücken des Mannes, ist etwas, was zunächst wirkt wie eine große Maschine. Wallander hatte das Gefühl, daß die Konstruktion ihm bekannt vorkam. Aber erst, als er das Bild ein wenig aus der Distanz betrachtete, erkannte er, was es war. Eine Transformatorstation. Hochspannungsleitungen.
Hier entsteht auf einmal ein Zusammenhang, dachte er. Was er bedeutet, weiß ich nicht. Aber wenn tatsächlich Falk das Bild gemacht hat, dann hat er einen Mann fotografiert, der neben einer Transformatorstation steht. Nicht ganz unähnlich der, in der Sonja Hökberg starb. Er wendete langsam die Seite, als hoffe er, dort die Lösung zu finden. Daß dieses Fotoalbum schließlich die wahre Geschichte alles dessen, was geschehen war, enthielte. Aber da schaut ihm ein Elefant entgegen, und da liegen ein paar Löwen, schläfrig am Straßenrand. Falk hat das Bild aus einem Auto aufgenommen. Daneben steht:
Krügerpark, August 1976
. Noch wird es ein Jahr dauern, bis er nach Schweden zurückkehren und vor dem Krankenhaus Sabbatsberg darauf warten wird, daß Marianne herauskommt. Seine vierjährige Abwesenheit ist noch längst nicht beendet. Schläfrige Löwen. Falk verschwunden. Wallander erinnerte sich, daß der Krügerpark in Südafrika lag. Er wußte es seit einem einige Jahre zurückliegenden Fall, als eine Immobilienmaklerin ermordet und er in eine Ermittlung hineingezogen worden war, die nach Südafrika führte. Lange hatte er daran gezweifelt, ob es ihm gelingen würde, die komplizierte Ermittlung zu einem klärenden Abschluß zu bringen.
Falk hat also Angola verlassen. Er sitzt in einem Auto und fotografiert durch das heruntergekurbelte Wagenfenster Tiere. Es folgen acht Seiten mit Tieren und Vögeln. Unter anderem eine endlose Menge gähnender Flußpferde. Touristische Erinnerungsfotos. Falk ist sehr selten ein inspirierter Fotograf. Erst als die Tierbilder zu Ende gehen, hält Wallander wieder ein. Falk ist wieder in Angola.
Luanda, Juni 1976.
Da ist der magere Mann wieder. |312| Mit dem energischen Blick und den Stoppelhaaren. Er sitzt auf einer Bank am Meer. Ausnahmsweise ist Falk einmal eine richtig durchkomponierte Aufnahme gelungen. Dann ist Schluß. Das Album ist nicht voll. Es folgt eine Anzahl leerer Seiten. Keine Bilder sind herausgerissen, keine Texte durchgestrichen. Das letzte Bild ist das des Mannes, der auf einer Bank sitzt und aufs Meer schaut. Im Hintergrund eine Stadtsilhouette wie auf der Ansichtskarte.
Wallander lehnte sich zurück. Marianne Falk betrachtete ihn
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