Wallander 08 - Die Brandmauer
Sand und vielleicht auch von Blut. Das Bild ist aus einiger Entfernung aufgenommen worden. Der Bus sieht wie ein Tierkadaver aus. Neben das eingeklebte Bild hat jemand mit Bleistift geschrieben:
Nordöstlich von Huambo 1975
. Unter dem Foto ist ein ähnlicher gelber Fleck wie auf der Postkarte. Wallander blätterte um. Eine Gruppe schwarzer Frauen ist an einem Tümpel versammelt. Die Landschaft verbrannt und ausgetrocknet. Es gibt keine Schatten auf dem Bild. Die Sonne muß senkrecht am Himmel gestanden haben, als das Bild aufgenommen wurde. Keine der Frauen schaut in Richtung des Fotografen. Der Wasserstand in dem Tümpel ist sehr niedrig.
Wallander betrachtete das Bild. Tynnes Falk, wenn er denn der Fotograf war, hat beschlossen, diese Frauen abzubilden. Aber eigentlich ist der fast ausgetrocknete Tümpel der Mittelpunkt. Den will es zeigen. Frauen, die bald kein Wasser mehr zu holen haben. Wallander blätterte weiter. Marianne Falk saß schweigend an der anderen Seite des Tischs. Wallander nahm eine Uhr wahr, die irgendwo im Raum tickte. Es folgten weitere Bilder einer ausgedörrten Landschaft. Ein Dorf mit niedrigen runden Hütten. Kinder und Hunde. Überall die rote Erde, die auf dem Bild umherzuwirbeln scheint. Keine Menschen, die in die Kamera sehen.
Plötzlich sind die Dörfer fort. Jetzt ist es ein Schlachtfeld. Oder das Feld nach einer Schlacht. Die Vegetation ist dichter, grüner. Ein Hubschrauber liegt umgestürzt auf der Seite, wie ein riesiges Insekt, auf das jemand getreten ist. Verlassene Kanonen, deren Rohre auf einen unsichtbaren Feind gerichtet sind. Auf den Bildern sind nur diese Waffen. Keine Menschen, weder lebende noch tote. Darunter Daten und Ortsnamen, nicht mehr. Dann |309| folgen zwei Seiten mit Funkmasten. Einige der Bilder sind unscharf.
Plötzlich ein Gruppenbild. Wallander versuchte, die Gesichter von neun Männern zu unterscheiden, die vor etwas, was aussieht wie ein Bunker, Aufstellung genommen haben. Es sind zehn Mann, ein Junge und eine Ziege. Die Ziege scheint von rechts ins Bild gekommen zu sein. Einer der Männer ist dabei, sie fortzuscheuchen, als das Bild aufgenommen wird. Der Junge starrt direkt in die Kamera. Er lacht. Sieben der Männer sind schwarz, die anderen weiß. Die Schwarzen sehen fröhlich aus, die Weißen ernst. Wallander drehte das Album so, daß Marianne Falk auch sehen konnte, und fragte sie, ob sie einen der beiden Weißen kenne. Sie schüttelte den Kopf. Neben dem Bild steht ein unlesbarer Ortsname und ein Datum:
Januar 1976
. Falk muß schon längst seine Funkmasten installiert haben. Vielleicht macht er gerade einen weiteren Besuch, um nachzuschauen, ob sie noch stehen. Er ist nach Angola zurückgekehrt. Oder hat er das Land gar nicht verlassen? Nichts spricht dagegen, daß er die ganze Zeit dortgeblieben ist. Welchen Auftrag er jetzt ausführt, ist unbekannt. Niemand weiß, wovon er lebt. Wallander blätterte um. Bilder aus Luanda. Jetzt ist es einen Monat später, Februar 1976. Jemand hält eine Rede in einem Stadion. Menschen mit roten Fahnen. Außerdem Flaggen. Wallander nahm an, daß es die Flagge Angolas war, mit der die Menschen winken. Weiterhin scheint Falk uninteressiert an einzelnen Menschen. Hier ist es eine Volksmenge. Das Bild ist aus so großem Abstand aufgenommen, daß einzelne Menschen kaum auszumachen sind. Aber Falk muß immerhin dieses Stadion besucht haben. Vielleicht ist es der Nationaltag? Der Unabhängigkeitstag des jungen Angola, der gefeiert wird? Warum hat Falk diese Bilder aufgenommen? Schlecht fotografiert, immer aus zu großem Abstand. Was will er eigentlich mit diesen Bildern für die Erinnerung festhalten?
Danach folgen ein paar Seiten mit Stadtbildern.
Luanda April 1976.
Wallander blätterte schneller.
Dann hielt er inne.
Ein Bild fällt aus dem Rahmen. Ein altes Bild. Ein Schwarzweißfoto. Eine Gruppe ernster Europäer hat sich für das Foto in Positur |310| gestellt. Die Frauen sitzen, die Männer stehen. Neunzehntes Jahrhundert. Im Hintergrund ein großes Haus, auf dem Land. Schwarze Diener in weißer Kleidung sind zu erkennen. Einer von ihnen lacht, aber die Menschen im Vordergrund sind ernst. Neben dem Bild steht:
Schottische Missionare, Angola 1894.
Wallander fragte sich, was das Bild hier sollte. Ein ausgebrannter Bus, verlassene Schlachtfelder, Frauen, die bald kein Wasser mehr haben, Funkmasten – und schließlich ein Bild von Missionaren.
Dann kommt die Gegenwart wieder, die Zeit, in der sich Falk
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