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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mit forschendem Blick.
    »Ich weiß nicht, was die Bilder eigentlich erzählen«, sagte er. »Aber ich muß das Album ausleihen. Möglicherweise müssen wir das eine oder andere der Bilder vergrößern.«
    Sie begleitete ihn hinaus in den Flur. »Warum glauben Sie, daß es so wichtig ist, was er damals gemacht hat? Das ist doch so lange her.«
    »Etwas ist damals geschehen«, erwiderte Wallander. »Was es ist, weiß ich nicht. Aber etwas geschah, was ihn durchs Leben begleitete.«
    »Und was sollte das gewesen sein?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wer war der Mann, der in seiner Wohnung geschossen hat?«
    »Wir wissen es nicht. Wir wissen weder, wer er war, noch, was er dort tat.«
    Er zog seine Jacke an und gab ihr die Hand. »Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen eine Quittung, daß wir die Fotos bekommen haben.«
    »Das ist nicht nötig.«
    Wallander öffnete die Tür.
    »Da war noch etwas«, sagte sie.
    Wallander sah sie an und wartete. Er sah, daß sie sehr unsicher war.
    »Die Polizei will vielleicht nur Fakten«, fuhr sie zögernd fort. »Das, woran ich jetzt denke, ist auch mir selbst höchst unklar.«
    »Im Moment kann alles bedeutungsvoll sein.«
    »Ich habe lange mit Tynnes zusammengelebt«, sagte sie. »Und ich glaubte ihn natürlich zu kennen. Was er in den Jahren, in denen er verschwunden war, gemacht hat, wußte ich nicht. Aber es |313| war etwas, das mich nicht tangierte. Weil er so ausgeglichen war und mich und die Kinder stets so gut behandelte, kümmerte ich mich nicht darum.«
    Sie verstummte abrupt. Wallander wartete.
    »Manchmal kam es vor, daß ich das Gefühl hatte, mit einem Fanatiker verheiratet zu sein. Einem Menschen mit zwei Gesichtern.«
    »Einem Fanatiker?«
    »Er konnte manchmal so sonderbare Ansichten äußern.«
    »Worüber?«
    »Über das Leben. Die Menschen. Die Welt. Praktisch über alles. Er konnte die heftigsten Anklagen ausstoßen. Die sich nicht gegen jemanden richteten. Es war, als schicke er Mitteilungen in den Weltraum.«
    »Erklärte er sich nicht?«
    »Ich bekam Angst. Ich wagte nicht zu fragen. Er schien wie von Haß erfüllt. Außerdem gingen seine Ausbrüche ebensoschnell vorüber, wie sie gekommen waren. Ich bekam das Gefühl, daß er sich sozusagen verplappert hatte. Zumindest, daß er selbst es so empfand. Etwas kam ans Licht, das er am liebsten verborgen hätte.«
    Wallander dachte nach. »Sie bleiben dabei, daß er nie politisch engagiert war?«
    »Er verachtete Politiker. Ich glaube, er hat nie gewählt.«
    »Hatte er auch keine Verbindungen zu anderen Bewegungen?«
    »Nein.«
    »Gab es irgendwelche Menschen, zu denen er aufgesehen hat?«
    »Das kann ich mir nicht denken.«
    Dann korrigierte sie sich. »Doch. Vielleicht hat er tatsächlich eine Art Liebe zu Stalin empfunden.«
    Wallander zog die Stirn kraus. »Und warum Stalin?«
    »Ich weiß es nicht. Aber er sagte mehrmals, Stalin habe die uneingeschränkte Macht gehabt. Richtiger gesagt: Er habe sie sich genommen, um uneingeschränkt herrschen zu können.«
    »Hat er es so gesagt?«
    »Ja.«
    »Und erklärt hat er es nie?«
    »Nein.«
    |314| Wallander nickte. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, müssen Sie es uns sofort wissen lassen.«
    Sie versprach, das zu tun. Dann fiel die Tür ins Schloß.
    Wallander setzte sich in seinen Wagen. Das Fotoalbum legte er auf den Beifahrersitz.
    Ein Mann hatte vor einer Transformatorstation gestanden. Vor zwanzig Jahren im fernen Angola.
    Konnte es derselbe Mann sein, der die Postkarte geschickt hatte? War es der Mann, dessen Name mit C anfing?
    Wallander schüttelte den Kopf. Er blickte nicht durch.
    Von einem unklaren Impuls getrieben, verließ er die Stadt und fuhr noch einmal zu dem Ort, an dem sie Sonja Hökbergs Körper gefunden hatten. Er war verlassen. Das Tor war verschlossen. Wallander stieg aus und blickte sich um. Braune Äcker, ein Stück entfernt krächzende Krähen. Tynnes Falk hatte tot an einem Geldautomaten gelegen. Er hatte Sonja Hökberg nicht töten können. Es gab andere, noch unsichtbare Bindeglieder, die sich wie ein Netzwerk zwischen den Geschehnissen verzweigten.
    Er dachte an Falks abgeschlagene Schreibfinger. Jemand wollte, daß etwas verborgen wurde. Das gleiche galt für Sonja Hökberg. Es gab keine andere vernünftige Erklärung. Sie war getötet worden, damit sie nicht reden konnte.
    Wallander fror. Der Tag war frisch. Er kehrte zum Wagen zurück und stellte die Heizung höher. Dann fuhr er zurück in Richtung Ystad. Als er sich dem Kreisverkehr an

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