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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Neben ihrem Mann wirkte sie klein. Wallander reichte ihr die Hand und sprach ihr sein Beileid aus. Sie schwankte kurz und setzte sich. Wallander fühlte sich irgendwie an Anette Fredman erinnert. Wieder stand er vor einer Mutter, die ihr Kind verloren hatte. Als er sie ansah, fragte er sich, wie viele Male er schon in genau dieser Situation gewesen war. Er mußte Fragen stellen, was bedeutete, daß er in schmerzenden Wunden bohrte.
    Gerade diese Situation war schlimmer als viele andere. Nicht nur, daß Sonja Hökberg tot war. Die Fragen, die er jetzt stellen mußte, betrafen eine Gewalttat, deren Opfer sie zu einem viel früheren Zeitpunkt geworden war.
    Er überlegte, wie er anfangen sollte. »Um den Täter ergreifen zu können, der Sonja umgebracht hat, müssen wir in die Vergangenheit zurückblicken. Es gibt etwas, worüber ich mehr in Erfahrung bringen muß. Vermutlich sind Sie die einzigen, die sagen können, was eigentlich vorgefallen ist.«
    Hökberg und seine Frau betrachteten ihn aufmerksam.
    »Gehen wir drei Jahre zurück«, fuhr Wallander fort. »Irgendwann 1994 oder 1995.   Können Sie sich erinnern, ob damals etwas Ungewöhnliches mit Sonja gewesen ist?«
    Die schwarzgekleidete Frau sprach sehr leise. Wallander mußte sich vorbeugen, um sie zu verstehen.
    »Was hätte das sein sollen?«
    »Kam sie einmal nach Hause und sah aus, als habe sie einen Unfall gehabt? Hatte sie blaue Flecken?«
    |414| »Sie hat sich einmal den Fuß gebrochen.«
    »Verstaucht«, korrigierte Erik Hökberg. »Ihr Fuß war nicht gebrochen. Er war verstaucht.«
    »Ich denke eher daran, ob sie vielleicht blaue Flecken im Gesicht hatte. Oder an anderen Stellen an ihrem Körper?«
    Frau Hökbergs Antwort kam unerwartet. »Meine Tochter hat sich vor niemandem in diesem Hause nackt gezeigt.«
    »Aber vielleicht war sie aufgewühlt. Oder deprimiert?«
    »Sie hatte ein sehr wechselhaftes Gemüt.«
    »Sie können sich also nicht an eine ungewöhnliche Begebenheit erinnern?«
    »Ich verstehe nicht, warum Sie diese Fragen stellen.«
    »Das muß er«, sagte Erik Hökberg. »Es ist sein Beruf.«
    Wallander nahm die Hilfestellung dankbar an.
    »Ich kann mich nicht erinnern, daß sie jemals mit blauen Flecken nach Hause gekommen wäre.«
    Wallander sah ein, daß er jetzt nicht mehr länger um den heißen Brei herumreden konnte. »Uns liegen Informationen vor, die darauf hindeuten, daß Sonja im fraglichen Zeitraum vergewaltigt wurde. Aber daß sie keine Anzeige erstattete.«
    Die Frau zuckte zusammen. »Das ist nicht wahr.«
    »Hat sie je davon gesprochen?«
    »Daß sie vergewaltigt worden wäre? Nie.«
    Sie gab ein hilfloses Lachen von sich. »Wer behauptet so etwas? Das ist eine Lüge. Nichts als Lüge.«
    Wallander hatte das Gefühl, daß sie trotz allem etwas wußte. Oder damals etwas geahnt hatte. Ihre Einwände waren zu heftig.
    »Vieles deutet jedoch darauf hin, daß es diese Vergewaltigung gegeben hat.«
    »Wer behauptet das? Wer erzählt solche Lügen über Sonja?«
    »Ich kann leider nicht sagen, woher die Informationen stammen.«
    »Warum nicht?«
    Erik Hökbergs Frage kam wie ein Schlag. Wallander ahnte die unterdrückte Aggressivität, die sich plötzlich Bahn brach.
    »Aus ermittlungstechnischen Gründen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Daß ich bis auf weiteres an meiner Einschätzung festhalten |415| muß, daß die Person oder die Personen, von denen die Information stammt, geschützt werden müssen.«
    »Und wer schützt meine Tochter?« schrie die Frau. »Sie ist tot. Keiner schützt sie.«
    Wallander merkte, daß das Gespräch ihm aus den Händen zu gleiten drohte. Er bereute, das Ganze nicht Ann-Britt überlassen zu haben. Erik Hökberg beruhigte seine schluchzende Frau. Wallander empfand die ganze Situation als entsetzlich.
    Nach einer Weile konnte er mit seinen Fragen fortfahren. »Sie sprach also nie davon, vergewaltigt worden zu sein?«
    »Nie.«
    »Und von Ihnen hat keiner etwas Ungewöhnliches an ihr bemerkt?«
    »Es war oft nicht leicht, sich auf sie zu verstehen.«
    »Wieso?«
    »Sie war eigen. Häufig zornig. Aber das ist vielleicht so in dem Alter.«
    »Und Sie bekamen es ab?«
    »Meistens ihr kleiner Bruder.«
    Wallander erinnerte sich an das einzige Gespräch, das er mit Sonja Hökberg geführt hatte. Wie sie sich über ihren Bruder beklagte, der nie ihre Sachen in Ruhe ließ.
    »Gehen wir noch einmal zurück in die Jahre 1994 und 1995«, sagte Wallander. »Sie war aus England zurückgekommen. Ist Ihnen nichts

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