Wallander 08 - Die Brandmauer
möchten, daß diese Dinge in ein Muster passen. Oder nicht?«
Wallander nickte. »Wir versuchen es. Aber es gelingt uns nicht besonders gut. Jedenfalls noch nicht.«
Nyberg kratzte die Reste der Dickmilch auf seinem Teller zusammen, bevor er fortfuhr. »Ich habe mit Ann-Britt gesprochen. Über die Sitzung gestern, bei der ich gefehlt habe. Sie sagt, du hättest davon gesprochen, daß in dem, was geschehen ist, etwas Doppeldeutiges sichtbar wird. Ungefähr wie wenn ein Mensch versucht, zwei Sprachen gleichzeitig zu sprechen. Du hast gesagt, es gebe etwas Berechnendes und etwas Zufälliges darin. Etwas Rücksichtsloses und zugleich Vorsichtiges. Habe ich das richtig verstanden?«
»Das ist ungefähr das, was ich gesagt habe.«
»Meiner Meinung nach ist das so ziemlich das Vernünftigste, was bisher in dieser Ermittlung gesagt worden ist. Was passiert, wenn man sich daran hält? Daß es sowohl Momente von Berechnung als auch Zufälle gibt?«
|443| Wallander schüttelte den Kopf. Er hatte nichts zu sagen. Er zog es vor zuzuhören.
»Mir ist etwas durch den Kopf gegangen. Daß wir vielleicht versuchen, zuviel zu deuten. Wir entdecken plötzlich, daß der Mord an dem Taxifahrer vielleicht gar nichts mit der Sache zu tun hat. Außer daß Sonja Hökberg die Schuldige ist. Eigentlich spielen wir eine Hauptrolle. Die Polizei.«
»Was sie eventuell zu uns sagt? Jemand bekommt Angst?«
»Nicht nur das. Was passiert, wenn wir anfangen, unter diesen Ereignissen zu sieben? Und uns fragen, ob ein Teil davon vielleicht gar nichts mit der eigentlichen Sache zu tun hat. Daß es nur ausgelegte falsche Spuren sind?«
Wallander erkannte, daß Nybergs Überlegung wichtig sein konnte. »Woran denkst du?«
»Natürlich zuerst an das Relais auf der leeren Bahre.«
»Willst du damit sagen, daß Falk überhaupt nichts mit dem Mord an Lundberg zu tun hatte?«
»Nein, nicht ganz. Aber jemand will uns glauben machen, daß Falk viel mehr damit zu tun hatte, als es eigentlich der Fall war.«
Wallander hatte jetzt Feuer gefangen.
»Oder der Körper, der plötzlich zurückkehrte«, fuhr Nyberg fort. »Mit zwei abgeschnittenen Fingern. Wir grübeln viel zuviel darüber nach, warum und weshalb. Laß uns annehmen, es bedeutet gar nichts. Wo landen wir da?«
Wallander überlegte. »Wir landen in einem Sumpf, und wir wissen nicht, wohin wir die Füße setzen sollen.«
»Ein guter Vergleich«, sagte Nyberg anerkennend. »Ich hätte nie geglaubt, jemand könnte Rydberg übertreffen, wenn es darum geht, treffende Bilder für verschiedene Situationen zu finden. Aber ich frage mich, ob du ihn nicht schlägst. Wir tappen also in einem Sumpf umher. Genau da, wo jemand uns hinlocken will.«
»Wir sollten also zusehen, daß wir festen Boden unter die Füße kriegen. Meinst du das?«
»Ich denke an das Tor. Draußen an der Transformatorstation. Wir zerbrechen uns die Köpfe darüber, warum es aufgebrochen worden ist, während die innere Tür mit einem Schlüssel geöffnet wurde.«
|444| Wallander verstand. Nyberg hatte sich wirklich einem wichtigen Punkt genähert. Gleichzeitig spürte er eine gewisse Irritation. Er hätte selbst viel früher darauf kommen sollen.
»Du meinst also, daß derjenige, der die innere Tür aufgeschlossen hat, auch das Tor aufgeschlossen hatte. Aber es nachher aufgebrochen hat, um Verwirrung zu stiften?«
»Eine einfachere Erklärung kann es kaum geben.«
Wallander nickte anerkennend. »Gut gedacht. Du beschämst mich. Daß ich die Möglichkeit nicht früher gesehen habe.«
»Du kannst ja auch nicht an alles denken«, sagte Nyberg ausweichend.
»Hast du noch mehr Details, die man als Schlacke betrachten kann? Ohne anderen Wert, als daß sie uns in die Irre führen sollen?«
»Man muß vorsichtig vorgehen«, sagte Nyberg. »Damit man nichts Wichtiges aussondert und Dinge behält, die ohne Bedeutung sind.«
»Alle Beispiele können bedeutungsvoll sein.«
»Das Wichtigste habe ich wohl gesagt. Und ich behaupte nicht, daß ich recht habe. Ich denke nur laut.«
»Es ist auf jeden Fall eine Idee. Damit haben wir noch einen Aussichtsturm, auf den wir klettern können.«
»Wenn ich an unsere Arbeit denke, kommt es mir oft so vor, als seien wir Maler, die vor ihrer Staffelei stehen«, sagte Nyberg. »Wir ziehen ein paar Linien, tragen ein bißchen Farbe auf und treten einen Schritt zurück, um den Überblick zu bekommen. Dann treten wir wieder vor und machen weiter. Ich frage mich, ob nicht dieser Schritt zurück am
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