Wallander 08 - Die Brandmauer
konnte Robert Modin nicht mehr. Inzwischen hatten sie entschieden, daß er die kommenden Nächte nicht zu Hause in Löderup verbringen durfte. Als Martinsson vorschlug, er könne im Polizeipräsidium übernachten, weigerte er sich aber. Wallander |499| überlegte, ob er Sten Widén anrufen und ihn bitten sollte, ein Bett zu beziehen. Aber er ließ den Gedanken fallen. Aus verschiedenen Gründen wurde es auch nicht als passend angesehen, daß er bei einem der Polizeibeamten übernachtete. Niemand wußte, wo die Grenze der Drohung verlief. Wallander hatte alle aufgefordert, vorsichtig zu sein.
Zu diesem Zeitpunkt wurde Wallander klar, wen er fragen könnte. Elvira Lindfeldt. Sie hatte nichts mit alldem zu tun. Es würde ihm außerdem die Gelegenheit geben, sie zu sehen, wenn auch nur für einen Augenblick.
Wallander erwähnte ihren Namen nicht. Er sagte nur, er würde sich um Robert Modin kümmern und eine Schlafgelegenheit für ihn finden.
Um kurz vor halb zehn rief er sie an. »Ich habe eine Bitte, die wahrscheinlich etwas überraschend kommt.«
»Ich habe nichts gegen Überraschungen.«
»Könnten Sie einen zusätzlichen Schlafplatz für diese Nacht einrichten?«
»Für wen denn?«
»Erinnern Sie sich an den jungen Mann, der in das Restaurant kam, als wir gegessen haben?«
»Kolin, oder wie er hieß?«
»Ungefähr. Modin.«
»Weiß er nicht, wohin er soll?«
»Ich kann nur so viel sagen, daß er für die nächsten Nächte eine sichere Übernachtungsgelegenheit braucht.«
»Selbstverständlich kann er hier schlafen. Aber wie kommt er her?«
»Ich bringe ihn. Jetzt gleich.«
»Wollen Sie etwas essen, wenn Sie kommen?«
»Nur Kaffee. Sonst nichts.«
Sie verließen das Präsidium kurz vor zehn. Als sie Skurup passiert hatten, war Wallander sicher, daß ihnen niemand folgte.
*
|500| In Malmö hatte Elvira Lindfeldt langsam den Hörer aufgelegt. Sie war zufrieden. Mehr als zufrieden. Sie hatte ein fast unverschämtes Glück. Sie dachte an Carter, dessen Maschine bald in Luanda starten würde.
Er dürfte mehr als zufrieden sein.
Er würde genau das bekommen, was er wollte.
|501| 37
Die Nacht auf Sonntag, den 19. Oktober, wurde eine der schlimmsten, die Wallander jemals erlebt hatte. Später sollte er denken, daß er wohl schon eine Vorahnung des Kommenden hatte, als er im Auto saß und nach Malmö fuhr. Kurz hinter der Abzweigung nach Svedala hatte ein Wagen plötzlich ein halsbrecherisches Überholmanöver durchgeführt. Gleichzeitig war ihnen ein Lastzug entgegengekommen, der viel zu weit in der Fahrbahnmitte fuhr. Wallander riß das Lenkrad herum und wäre fast von der Straße abgekommen. Robert Modin saß schlafend neben ihm. Er hatte nichts gemerkt. Aber Wallander fühlte sein Herz gegen die Rippen hämmern.
Ihm fiel plötzlich ein, wie er vor ein paar Jahren am Steuer eingenickt war und um ein Haar ums Leben gekommen wäre. Damals hatte er noch nicht gewußt, daß er Zucker hatte und etwas gegen die Müdigkeit tun konnte. Jetzt wäre es beinah wieder passiert. Dann wanderten seine Gedanken unruhig weiter zu der Ermittlung, deren Ausgang immer ungewisser zu sein schien. Wieder einmal fragte er sich, ob sie wirklich auf dem richtigen Weg waren. Hatte er sich wie ein betrunkener Lotse verhalten und die Ermittlungsgruppe auf Grund gesetzt? Was würde es bedeuten, wenn Falks Rechner überhaupt nichts mit ihrem Fall zu tun hatte? Wenn die Wahrheit statt dessen ganz woanders lag?
Auf dem letzten Stück nach Malmö versuchte Wallander, eine alternative Erklärung zu finden. Etwas mußte geschehen sein, als Falk in Angola verschwunden war. Aber konnte es sich auch um etwas vollkommen anderes handeln? Konnte es mit Drogen zu tun haben? Was wußte er selbst eigentlich über Angola? Fast nichts. Er ahnte vage, daß es ein reiches Land war, mit Ölfeldern und großen Diamantenvorkommen. Konnte es damit zu tun haben? Oder |502| handelte es sich um eine Gruppe verwirrter Saboteure, die eine Aktion gegen die Schwedische Stromversorgung vorbereiteten? Aber warum hatte sich dann Falks große Veränderung ausgerechnet in Angola ereignet? Auf der nächtlichen Landstraße, während die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos die Schwärze der Nacht durchschnitten, hatte er vergebens eine Erklärung gesucht. In seine Unruhe mischten sich auch die Gedanken an das, was Ann-Britt berichtet hatte. Von Martinsson und seinem falschen Spiel hinter Wallanders Rücken. Das Gefühl, in Frage gestellt zu werden, und
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