Wallander 08 - Die Brandmauer
das Funkgerät verloren«, erwiderte Martinsson. »Und in diesem Scheißmatsch finde ich es nicht wieder.«
Der Mann auf dem Acker war im Begriff, aus dem Scheinwerferlicht zu verschwinden. Wallander konnte sehen, wie er strauchelte und fast gestürzt wäre. Wallander wußte, daß der Moment zum Handeln gekommen war. Er stand auf.
»Was tust du, verdammt?«
Wallander hörte Martinssons Stimme.
»Jetzt holen wir ihn uns«, sagte Wallander.
»Wir müssen ihn erst umstellen.«
»Dann hat er Zeit genug, zu entwischen.«
Wallander sah Martinsson an, der nur den Kopf schüttelte. Dann ging er los. Der Lehm klumpte sogleich unter seinen Schuhen. Der Mann war jetzt aus dem Scheinwerferlicht verschwunden. Wallander blieb stehen, griff nach seiner Waffe und vergewisserte sich, daß sie entsichert war. Hinter sich konnte er |507| hören, wie Martinsson EI Sayed und Elofsson etwas zurief. Wallander versuchte, sich außerhalb des Lichtkegels des verbliebenen Scheinwerfers zu halten. Er lief schneller. Einer seiner Schuhe blieb im Lehm stecken. Wütend bückte er sich und riß sich auch den anderen vom Fuß. Die Nässe und die Kälte drangen unmittelbar an seine Füsse. Aber er konnte sich leichter bewegen. Plötzlich erblickte er den Mann. Er stolperte vorwärts über den Acker und konnte sich nur schwer aufrecht halten. Er glitt tiefer ins Dunkel hinein. Dann fiel Wallander ein, daß er eine weiße Jacke trug. Er zog sie aus und ließ sie in den Lehm fallen. Der Pullover darunter war dunkelgrün. Jetzt war er nicht mehr so leicht zu erkennen. Der Mann vor ihm schien sich nicht bewußt zu sein, daß Wallander hinter ihm war. Das verschaffte Wallander einen Vorteil.
Der Abstand war noch immer so groß, daß Wallander nicht wagte, den Mann durch einen Beinschuß an der Flucht zu hindern. In der Entfernung hörte er einen Hubschrauber. Das Geräusch kam nicht näher. Er wartete irgendwo in der Nähe. Sie befanden sich jetzt mitten auf dem Acker. Das Licht des Scheinwerfers war schwächer geworden.
Er wußte, daß er ein schlechter Schütze war. Der Mann vor ihm hatte zwar zweimal nicht getroffen, aber trotzdem war er mit Sicherheit der bessere Schütze. Den Scheinwerfer hatte er aus großer Entfernung getroffen. Wallander suchte fieberhaft nach einer Lösung. Er verstand nicht, warum Martinsson oder Hansson den Hubschrauber nicht herdirigierten.
Plötzlich strauchelte der Mann. Wallander hielt inne. Dann sah er, daß der Mann sich niederbeugte und nach etwas suchte. Wallander brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um sich zu sagen, daß er seine Waffe verloren hatte und sie nicht wiederfinden konnte. Sie waren gut dreißig Meter voneinander entfernt. Die Zeit reicht nicht, dachte er. Dann lief er los. Er versuchte, über die nassen und hartgefrorenen Furchen zu springen. Aber er stolperte und war im Begriff, das Gleichgewicht zu verlieren. In dem Moment entdeckte ihn der Mann. Obwohl der Abstand immer noch groß war, erkannte Wallander, daß er Asiat war.
Dann rutschte Wallander aus. Sein linker Fuß glitt aus wie auf |508| einer Eisscholle. Es gelang ihm nicht, das Gleichgewicht zu halten. Er fiel. Im gleichen Moment fand der Mann seine Waffe. Wallander war auf die Knie gekommen. Die Waffe in der Hand des Mannes war direkt auf ihn gerichtet. Wallander drückte ab. Nichts. Noch einmal. Die Pistole versagte. In einem letzten verzweifelten Versuch, davonzukommen, warf Wallander sich zur Seite und preßte sich so tief wie möglich zwischen die Ackerfurchen. Da kam der Schuß. Wallander zuckte zusammen. Aber er war nicht getroffen worden. Er lag reglos da und wartete auf den nächsten Schuß. Aber nichts geschah. Wie lange Wallander liegenblieb, wußte er nicht. Aber in seinem Kopf sah er seine eigene Situation aus der Distanz vor sich. So würde es also zu Ende gehen. Ein sinnloser Tod. Einsam auf einem Acker. Bis hierhin war er gekommen, mit all seinen Vorsätzen und Träumen. Jetzt war es vorbei. Mit dem Gesicht im naßkalten Lehm würde er ins letzte Dunkel verschwinden. Und er trug nicht einmal Schuhe.
Erst als das Geräusch des Hubschraubers immer rascher näher kam, wagte er zu denken, daß er überleben würde. Vorsichtig blickte er auf.
Der Mann lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken. Wallander stand auf und ging langsam näher heran. In einiger Entfernung sah er die Scheinwerfer des Hubschraubers über die Äcker schwenken. Er hörte Hundebellen und Martinsson, der in der Dunkelheit rief.
Der Mann war
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