Wallander 08 - Die Brandmauer
keine Hundebesitzer auf ihrem Abendspaziergang in Sicht.
»Ich gehe jetzt. Wie war dein Abendessen?«
»Ich war gar nicht da. Was hat man von einem Essen, wenn man nicht ein Glas dazu trinken kann?«
»Du hättest dich von einem Wagen abholen lassen können.«
Hansson betrachtete Wallander aufmerksam. »Willst du damit sagen, ich hätte hier stehen und Leute ansprechen sollen, während ich eine Fahne habe?«
»Ich rede von einem Glas«, sagte Wallander. »Nicht davon, daß du betrunken wärst.«
Im Weggehen fiel Wallander ein, daß Hansson im Verlauf des Tages ein Gespräch mit dem Staatsanwalt geführt hatte. »Hatte Viktorsson etwas zu sagen?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber irgend etwas muß er doch gesagt haben.«
»Er sah keinen Grund dafür, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Ermittlung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wir sollten weiter auf breiter Front vorgehen. Voraussetzungslos.«
|240| »Die Polizei ermittelt nie voraussetzungslos«, sagte Wallander. »Das sollte er wissen.«
»Das war es auf jeden Fall, was er gesagt hat.«
»Sonst nichts?«
»Nein.«
Wallander bekam plötzlich das Gefühl, daß Hansson ausweichend antwortete. Als hielte er mit etwas hinter dem Berg. Er wartete. Aber Hansson schwieg.
»Um halb eins kannst du Schluß machen«, sagte Wallander. »Ich gehe jetzt. Wir sehen uns morgen.«
»Ich hätte mich wärmer anziehen sollen. Es ist frisch.«
»Wir haben Herbst«, sagte Wallander. »Bald kommt der Winter.«
Er ging zur Stadt zurück. Je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer wurde er, daß da etwas war, was Hansson nicht gesagt hatte. Als er zum Runnerströms Torg kam, sah er ein, daß es nur eine Möglichkeit gab. Viktorsson hatte einen Kommentar über ihn abgegeben. Über den angeblichen Übergriff. Über die laufende interne Untersuchung.
Es irritierte Wallander, daß Hansson nichts gesagt hatte. Aber es wunderte ihn nicht. Hanssons Leben war von der ständigen Anstrengung bestimmt, immer mit allen gut Freund zu sein. Gleichzeitig merkte Wallander, wie müde er wurde. Niedergeschlagen vielleicht.
Er blickte sich um. Der zivile Polizeiwagen stand noch da. Ansonsten war die Straße leer. Er schloß die Tür seines Wagens auf und stieg ein. Als er den Motor anlassen wollte, piepte sein Handy. Er fischte es aus seiner Tasche. Es war Martinsson.
»Wo bist du?«
»Ich bin nach Hause gefahren.«
»Warum? Hast du Molin nicht angetroffen?«
»Modin. Robert Modin. Ich hatte plötzlich Zweifel.«
»Weswegen?«
»Du weißt doch, wie es ist. Die Vorschriften besagen, daß wir nicht einfach so auf Außenstehende zurückgreifen dürfen. Immerhin hat Modin eine Gefängnisstrafe abgesessen. Wenn auch nur für ein oder zwei Monate.«
|241| Wallander sah ein, daß Martinsson kalte Füße bekommen hatte. Das war auch früher schon vorgekommen. Manchmal hatte es zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen geführt. Wallander fand bisweilen, daß Martinsson übervorsichtig war. Er benutzte nicht das Wort feige, obwohl er genau das meinte.
»Wir sollten uns die Sache vorher vom Staatsanwalt absegnen lassen«, fuhr Martinsson fort. »Auf jeden Fall sollten wir mit Lisa darüber reden.«
»Du weißt, daß ich die Verantwortung übernehme«, sagte Wallander.
»Aber trotzdem.«
Wallander sah ein, daß Martinsson sich entschieden hatte. »Du kannst mir jedenfalls Modins Adresse geben. Dann bist du alle Verantwortung los.«
»Findest du nicht, daß wir warten sollten?«
»Nein«, antwortete Wallander. »Die Zeit läuft uns weg. Ich will wissen, was in dem Computer ist.«
»Wenn du meine persönliche Meinung hören willst, so solltest du schlafen. Hast du dich mal im Spiegel angeschaut?«
»Ja, ich weiß«, sagte Wallander. »Gib mir jetzt die Adresse.«
Er suchte einen Stift aus dem Handschuhfach, das mit Papier und zusammengepreßten Papptellern aus verschiedenen Imbißstuben vollgestopft war. Wallander notierte die Adresse, die Martinsson ihm nannte, auf der Rückseite einer Benzinquittung.
»Es ist bald Mitternacht«, sagte Martinsson.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Wallander. »Wir sehen uns morgen.«
Er beendete das Gespräch und legte das Telefon auf den Beifahrersitz. Martinsson hatte recht. Was er jetzt mehr als alles andere nötig hatte, war Schlaf. Was hatte es eigentlich für einen Sinn, nach Löderup hinauszufahren? Robert Modin lag wahrscheinlich im Bett und schlief. Es muß bis morgen warten, dachte er.
Dann fuhr er aus Ystad hinaus, in östlicher Richtung,
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