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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Jedenfalls wurde Aristophanes ordnungsgemäß vor Gericht gestellt und verurteilt. Zwar kam er mit dem Leben davon, wurde aber mit einer sehr hohen Geldstrafe belegt, und von diesem Tag an wurde Kleon zur bevorzugten Zielscheibe von Aristophanes wie auch allen anderen Komödiendichtern Athens. Obendrein beließen es die Dichter aber nicht nur bei (den durchaus zu erwartenden und folglich recht harmlosen) Attacken gegen Kleon, sondern enthielten sich auch noch der Angriffe auf seine Feinde, was viel schwerwiegender war. Noch nie zuvor war jemandem der Gedanke gekommen, das Recht des Komödiendichters in Frage zu stellen, nämlich genau das zu äußern, was er über eine x-beliebige Person sagen will, und zwar von den Heerführern und Göttern bis zum kleinen Vogelverkäufer an der Straßenecke, der einem einen kranken Wiedehopf verkauft und sich womöglich nach dem Tod des Vogels weigert, den Kaufpreis zurückzuerstatten. Dabei geht es ums Prinzip, denn obwohl es mir ausgesprochen schwer fällt, auch nur einen einzigen Komödiendichter zu nennen, der nicht auf die Nachricht 108
    hin, daß einer seiner Kollegen zum Tode verurteilt worden sei, die ganze darauffolgende Woche durchfeiern würde, ist die Bedrohung der Freiheit eines Dichters gleichzeitig eine Bedrohung für alle Dichter. Im Grunde war es das gleiche wie bei den Invasionen der Perser, denn wir hörten damit auf, uns gegenseitig zu bekämpfen und schlossen uns gegen einen gemeinsamen Feind zusammen.
    Natürlich versuchte Kleon so etwas Dummes nie wieder, und schon im darauffolgenden Jahr nahm alles wieder seinen gewohnten Gang. Der einzige Unterschied bestand jetzt darin, daß Aristophanes vor seiner Verurteilung nichts weiter als ein Schreiber von Schmierenkomödien gewesen war, danach jedoch für alle Zeiten der Mann blieb, den Kleon mundtot zu machen versucht hatte, und demzufolge mußte einfach alles von Aristophanes gut sein. Zumindest ist das – abgesehen von einem vollkommenen Mangel an Geschmack und kritischem Urteilsvermögen seitens des athenischen Publikums – die einzige Erklärung für Aristophanes’ einmalige Ausbeute von Preisen bei den Festspielen.
    Kommen wir nun zu Aristophanes’ Leben. Er ist sieben oder acht Jahre älter als ich und hat schon in jungen Jahren mit dem Dichten angefangen. Sein erstes Stück, Die Schmausbrüder, wurde bereits Jahre, bevor er das gesetzmäßige Alter zur Aufstellung eines Chores erreicht hatte, aufgeführt. Deshalb mußte er in den sauren Apfel beißen und seinen Onkel als Verfasser der Komödie ausgeben. Nachdem dieser Chor bewilligt worden war, verlor er allerdings keine Zeit, die Sache richtigzustellen.
    Zu diesem Zeitpunkt war es aber bereits zu spät, ihm den 109
    Chor wieder zu entziehen, da der Ausschuß für Theaterstücke und Kriegsschiffe bereits einen Geldgeber bestimmt hatte und damals niemand auch nur im Traum daran gedacht hätte, sich der Pflicht der Chorfinanzierung zu entziehen. Alles in allem war dieses als Liturgie bezeichnete System hervorragend. Der Ausschuß führte eine Vermögensveranlagung sämtlicher Bürger durch und stellte eine Liste derjenigen auf, die wohlhabend genug waren, für den einjährigen Unterhalt einer Triere, eines dreirudrigen Kriegsschiffs der Flotte, zu sorgen und die Produktionskosten eines Theaterstücks zu bezahlen. Die Reichen waren sogar stolz darauf, zur Entrichtung dieser Abgaben herangezogen zu werden (war es doch ein todsicherer Weg, die ganze Welt darüber in Kenntnis zu setzen, welch immenses Vermögen man besaß), und im großen und ganzen funktionierte dieses System einwandfrei. Es war eine gute Regelung, auf jeden Fall sehr viel besser als die heutige Lösung unserer Finanzierungsprobleme.
    Hätte ich Aristophanes auf dem Marktplatz oder bei einem literarischen Treffen kennengelernt, wäre es meiner Ansicht nach durchaus denkbar gewesen, daß ich mich mit ihm gut verstanden und mein ganzes Leben einen anderen Verlauf genommen hätte. Doch bekam ich ihn das erstemal inmitten meiner Ziegenherde oberhalb von Pallene zu Gesicht, obwohl ich damals natürlich nicht die leiseste Ahnung hatte, wer er war. Ich war zu der Zeit acht Jahre alt, Aristophanes muß also ungefähr fünfzehn oder sechzehn gewesen sein und wahrscheinlich gerade an seiner ersten Komödie geschrieben haben. Sein Vater 110
    besaß in unserem Teil von Pallene ein etwa vier Morgen großes Stück Land, doch der Großteil seines Grund und Bodens lag im Südosten von Attika. Außerdem

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