Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
haben.«
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»Ach, dein Vater ist also in Thessalien gewesen, ja?«
fragte der Fremde.
»Aber sicher«, antwortete ich, wobei ich versuchte, tieftraurig zu klingen. »Von dort hat er nämlich dieses Ding mitgebracht. Das ist richtig furchterregend und macht die ganze Nacht diese entsetzlichen Geräusche. Seitdem dieses Ding da ist, haben wir keinen einzigen Tropfen frische Milch mehr im Haus gehabt.«
»Was für ein Ding?« wollte der Fremde wissen.
»Die Ziege dahinten«, entgegnete ich und deutete auf eine große schwarze Geiß mit einem verdrehtem Horn, die den Kopf gehoben hatte und den Fremden anstierte, wie es Ziegen manchmal so an sich haben. »Eurymenes aus unsrem Dorf sagt, die Ziege ist eine Hexe. Am nächsten Tag haben sie versucht, sie zu verbrennen, aber die Ziege hat einfach nicht gebrannt, obwohl sie von oben bis unten mit Pech übergossen worden war. Dann ist die Ziege durch die Häuser spaziert und hat dabei alle Wandbehänge in Brand gesetzt. Die Dorfbewohner wollten meinen Vater vor Gericht bringen, aber dazu hatten sie viel zuviel Angst.« Ich hielt kurz inne und starrte den Fremden an, als sei er ein Held, der zu unserer Befreiung herbeigeeilt war.
»Willst du meinen Vater wirklich wegen Zauberei anzeigen?« fragte ich ihn schließlich. »Glaub mir, wir wären dir ewig dafür dankbar.«
»Natürlich«, erwiderte der Fremde, der langsam zurückwich und dabei kein Auge von der schwarzen Ziege wandte. »Ich werde noch heute zum Archon gehen.«
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Dann machte er auf dem Absatz kehrt und eilte in rasender Geschwindigkeit davon. Ich schaffte es, das Lachen zu unterdrücken, bis er nicht mehr zu sehen war.
Als ich wieder nach Hause kam, erzählte ich meinem Vater sofort die ganze Geschichte. Der dachte natürlich, ich hätte mir die Sache vollauf aus den Fingern gesogen, und ließ mich zur Strafe fünfzig Zeilen von Hesiod auswendig lernen.
Nun, das war meine erste Begegnung mit Aristophanes.
Die zweite trug sich über sieben Jahre später zu. Trotzdem erkannten wir uns beide sofort wieder.
Mein Vetter Kallikrates und ich befanden uns gerade auf dem Nachhauseweg von einer ermüdenden
Abendgesellschaft mit einigen von Kallikrates’
langweiligen Freunden, auf der wir nur sehr mäßig getrunken und über das Justizwesen diskutiert hatten. Auf den Straßen war es so dunkel wie in einem Kohlenkeller, und deshalb ließen Kallikrates und ich den ganzen Weg über die Hand am Schwertgriff. Wir waren schon fast zu Hause und in Sicherheit, als wir um eine Ecke bogen und sich uns plötzlich der Anblick bot, den der nächtliche Wanderer mehr als alles andere fürchtet, der Anblick einer Bande von Serenadensängern.
Vielleicht sind Sie noch nie in Athen gewesen, und möglicherweise legen die Jugendlichen in Ihrem Heimatort ein besseres Benehmen an den Tag. Darum werde ich Ihnen jetzt erklären, was so alles mit einer Serenadensängerbande verbunden ist. Eine Gruppe junger Männer, im allgemeinen aus der Vermögensklasse der Reiterei, trifft sich auf einem Fest, das man nicht gerade 118
aufregend findet. Also reißt man sich die noch vorhandenen Reste an Wein und die besser aussehenden Flötistinnen unter den Nagel, entzündet Fackeln und macht sich auf den Weg, um ein aufregenderes Fest zu finden.
Auf der Suche nach der vollkommenen Feier scheut die Gruppe keine Mühe und läßt nichts unversucht. Man drängt auf den Marktplatz und stürmt in die ›Säulenhalle der Wandbilder‹ hinein und wieder hinaus, dann übergibt man sich vor der Säulenhalle der Hermen, überquert den Marktplatz und kämpft sich, immer begleitet von grölendem Gesang und dem Klang der Flöten, von Haus zu Haus bis zum Hügel in Richtung Akropolis vor, wobei man wie eine spartanische Armee eine Schneise der Verwüstung hinterläßt. Natürlich hat man auch auf einem derartigen Streifzug die unvermeidlichen Verluste zu beklagen: Einige der wackeren Sänger kippen einfach um und fallen auf der Stelle in tiefen Schlaf, während andere, die sich auf ihrem Weg urplötzlich unter dem Fenster ihrer Freundin wiederfinden, einfach stehenbleiben, um so lange ein Lied über das Ausgesperrtsein vorzutragen, bis man ihnen einen Kübel Abwasser ins Gesicht schüttet. Im großen und ganzen bleibt die Gruppe jedoch dicht zusammen, wie eine schwerbewaffnete Fußtruppe auf feindlichem Territorium; denn während der Zug der Serenadensänger als Ganzes in gewisser Weise Aphrodite und Dionysos heilig ist, kann jeder einzelne Nachzügler von
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