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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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der es augenblicklich losließ, rannte zu uns herüber und versteckte sich hinter Kallikrates’ Rücken. Zu jener Zeit nahm mich dieser Vorfall ziemlich mit, schließlich war das Mädchen durch mein Eingreifen gerettet worden.
    »Ich sage dir, was ich tun werde«, fuhr ich fort.
    »Angesichts der vorgerückten Stunde und des morgigen Festtags aller Hexen habe ich keine Lust, dich zu 122
    verzaubern. Ich nehme mir zum vollen und endgültigen Ausgleich einfach deine Ziege hier, und du kannst dir selbst ausrichten, daß du noch einmal knapp davongekommen bist.«
    Aristophanes mochte zwar furchtbar abergläubisch sein, aber ein Volltrottel war er nun auch wieder nicht, denn jetzt merkte er, welcher Narr er damals gewesen war.
    Anscheinend verstanden sogar seine Begleiter meine Anspielung, obwohl sie den Hintergrund der Geschichte natürlich nicht kannten, und kicherten los. Auf jeden Fall schienen sie das Interesse verloren zu haben, uns umzubringen, und wie ich annehme, bekamen sie allmählich wieder Durst. Sie setzten Aristophanes mit allerlei höhnischen Bemerkungen zu, und der Komödiendichter warf mir einen scharfen Blick zu, der selbst Senf zum Erstarren gebracht hätte. Doch dann schien ihm ein Gedanke gekommen zu sein, denn plötzlich lächelte er nachsichtig.
    »Das finde ich wirklich nett von dir und ist eines echten Atheners würdig«, fiel ihm meine Antwort von damals ein.
    »Und da es deine Ziege ist, wirst du auch sicher über ihre Angewohnheiten Bescheid wissen. Du kannst sie herzlich gern behalten, mein Freund. Sie heißt Phaidra, Tochter des Theokrates, und wohnt gleich hinter dem Brunnenhaus.«
    Auf dieses Angebot hin brachen alle Serenadensänger in schallendes Gelächter aus, obwohl mir der Grund schleierhaft blieb. Dann setzte sich der ganze Zug wieder in Bewegung, stimmte aus vollem Hals das Lied über die Festung Leipsydrion an und ließ mich, Kallikrates und das 123
    Mädchen allein zurück. Welche Erleichterung wir dabei empfanden, kann man sich wohl leicht vorstellen.
    Das Elternhaus des Mädchens konnten wir gleich daran erkennen, wie man die Tür eingetreten hatte, und wir entließen Phaidra in die Arme ihrer Eltern, die ihre Tochter schon verloren gegeben hatten. Als wir das Haus betraten, waren Theokrates und seine Frau sogar in Tränen aufgelöst, knieten an der Feuerstelle und streuten sich Asche aufs Haupt. Doch als sie aus Phaidras Mund erfuhren, daß man sie gerettet hatte, bevor man ihr etwas Schlimmeres hatte antun können, waren sie außer sich vor Freude. Kallikrates war so edel, die geglückte Rettung ganz meiner raschen Geistesgegenwart zuzuschreiben, woraufhin man mich umarmte und mir die Füße in duftendem Wasser wusch. Ich fühlte mich wie Herakles, als er Thanatos, dem Tod, im Ringkampf die bereits gestorbene Alkestis entriß.
    »Das ist wirklich nicht der Rede wert, ich bitte euch«, beteuerte ich immer wieder. »Das war wirklich das mindeste, was ich tun konnte.« Aber dabei sah ich natürlich nicht die Eltern an, sondern einzig und allein Phaidra, die mir durch die niedergeschlagenen Wimpern hindurch flüchtige und errötende Blicke zuwarf, wie es Mädchen nun einmal tun – ich vermute fast, diesen Kniff lernen Mädchen schon in frühem Alter von ihren Müttern.
    Bei genauer Betrachtung war Phaidra ein sehr hübsches Mädchen, und ich nehme an, Sie können schon erraten, was in meiner unbedarften jungen Seele vorging.
    »Das war jetzt aber wirklich das letztemal, daß dieser Kerl unser Haus betreten hat«, sagte Phaidras Mutter 124
    gerade. »Es ist mir auch völlig egal, wieviel Geld er hat oder wer seine reichen Freunde sind. Außerdem ist er bereits verheiratet. Wenn er also jemals wieder… Na ja, kein Wunder, wir hätten Phaidra niemals aus…«
    In diesem Moment stieß ihr Gatte sie unter dem Tisch mit dem Fuß an und bot uns mit lauter Stimme Wein und Honig an. Ich hätte auf das Wörtchen ›niemals‹ achten sollen, war aber viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
    »Unsere Phaidra ist das beste Mädchen in ganz Attika«, begann Theokrates. »Sie verfügt über alle Fertigkeiten, kann kochen und singen und kennt sogar ihren Hesiod.
    Nicht wahr, mein Schatz?« Er sah seine Tochter finster an, bis sie endlich nickte. Danach warf er mir einen bedeutungsvollen Blick zu, der mir fast den Verstand geraubt hätte, einen langen Blick, mit dem Väter normalerweise nur Junggesellen in jüngeren Jahren ansehen, kurz bevor sie darangehen, die Höhe der Mitgift

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