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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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auszurechnen. »Außerdem gehören ihr unten an der Küste noch fast zwanzig Morgen Land. O ja, der junge Mann, der unser kleines Mädchen einmal bekommt, kann sich wirklich glücklich schätzen.«
    Dabei fällt mir ein, wie ich einmal einkaufen ging und auf dem Markt ein wirklich schönes Pferd erblickte. Ich blieb eine Zeitlang stehen, und weil ich keinen einzigen Fehler an dem Tier entdecken konnte, ging ich zum Händler hinüber und fragte ihn nach dem Verkaufspreis.
    Aber anstatt meine Frage zu beantworten, hob der Mann zu einer langen und lautstarken Lobrede auf die Tugenden des Tieres an, die er ungefähr zur Hälfte beendet hatte, als das 125
    Pferd plötzlich den Hals ausstreckte und mir ohne ersichtlichen Grund äußerst schmerzhaft in den Arm biß.
    Anders ausgedrückt: Wenn ein Händler anfängt, Waren zu loben, die auch ohne nähere Beschreibung schon gut genug aussehen, sollte man sich schleunigst die Ohren zuhalten und weitergehen. Leider hatte ich diese Erfahrung damals noch nicht gemacht. Kallikrates hingegen roch anscheinend den Braten, denn er wurde allmählich unruhig. Da es aber nun einmal meine große Stunde war, brachte er es vermutlich einfach nicht übers Herz, sich einzumischen, und beließ es lediglich bei einer Andeutung, daß es für uns Zeit zum gehen sei. Diese Bemerkung überhörte ich natürlich, da Phaidra gerade Wein und Honig mit geriebenem Käse gebracht hatte. Als ich den Becher erhob, streifte ich mit den Fingern an ihrer Hand entlang, und sie schienen zu brennen, als hätte ich mich versehentlich auf einen glühendheißen Dreifuß gestützt.
    »Wer war unser edelmütiger Gegner eigentlich?« fragte Kallikrates gerade in die Runde. »Eupolis scheint ihn nämlich auch zu kennen, wollte mich aber nicht in das Geheimnis einweihen.«
    Theokrates spukte betont auffällig ins Feuer und antwortete: »Das war Aristophanes, der Komödiendichter, Sohn des Philippos von Kydathene. Morgen früh werde ich gleich als erstes mit dem Archon über ein Verfahren wegen Entführung sprechen.«
    Für einen kurzen Augenblick vergaß ich sogar Phaidra.
    »Aristophanes?« hakte ich nach, wobei sich meine Stimme fast überschlug. »Etwa der Aristophanes, der einen Chor auf die Bühne gebracht hat, in dem unsere Verbündeten 126
    wie babylonische Sklaven gekleidet sind und in einer Tretmühle laufen?«
    Theokrates schnaubte verächtlich. »Das ist doch eine uralte Masche«, erwiderte er. »Das findet man schon bei Kratinos in Die Sardinen. Aber um das zu wissen, bist du noch zu jung.«
    Nun unterhielten wir uns natürlich über Komödien und danach über Tragödien, bis schließlich die Morgendämmerung anbrach und es an der Zeit war, nach Hause zu gehen. Ich weiß noch, wie ich in dem fahlroten Licht der aufgehenden Sonne durch die Straßen ging und mir einredete, ich müsse erst gestorben und dann als Gott wiedergeboren worden sein, ganz so, wie es die Pythagoreer behaupten. Wie hätte ich mir sonst erklären sollen, daß ich im Zeitraum einer einzigen kurzen Nacht dem großen Aristophanes begegnet war und ihn im Kampf besiegt hatte, die Parabase der Komödie hatte vortragen können, an der ich gerade schrieb (und die den alten Theokrates anscheinend prächtig amüsiert hatte), und vor allem die Erlaubnis erhalten hatte wiederzukommen, wann immer ich wollte? Der letzte Punkt konnte nur eins bedeuten: Falls es unseren beiden Familien gelingen sollte, sich auf entsprechende Bedingungen zu einigen, konnte ich Phaidras Freier werden, da wir beide das richtige Alter hatten, noch nicht versprochen waren und unsere Familien zueinander paßten. Erst als ich wieder zu Hause war und ins Bett ging, blitzten für einen kurzen Moment Aristophanes’ Worte über Phaidras Angewohnheiten in meiner Erinnerung auf, aber bevor ich darüber nachdenken konnte, war ich bereits fest eingeschlafen.
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    Obwohl im Laufe der Jahre schon viele Leute um die Ehre meiner Feindschaft gewetteifert haben, behaupte ich nach wie vor, daß ich mir selbst der schlimmste Feind bin.
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    5. KAPITEL
    ieses Buch ähnelt ein wenig meinem Vetter D Amyklaios, der überhaupt keinen Orientierungssinn besitzt. Schon auf dem Land findet er sich nicht zurecht, aber das ist noch gar nichts gegen seine Hilflosigkeit in der Stadt, wo er seinen Standort um keinen Deut besser zu bestimmen weiß als ein Blinder. Zu allem Unglück ist er der felsenfesten Überzeugung, der geborene Navigator zu sein, und beteuert ständig mit dem größten Nachdruck, eine

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