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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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darauf bestehst, können wir dann wiederkommen. Aber jetzt gehen wir erst mal nach Hause.«
    »Ihr könnt das gern tun, wenn ihr möchtet, aber ich will mir mein Land ansehen.«
    »Hör mal, Eupolis«, erwiderte Philodemos nicht mehr ganz so geduldig, »du kannst tun und lassen, was du willst.
    Kallikrates und ich kehren nach Hause zurück, solange noch Zeit dafür ist. Wenn du unbedingt hierbleiben und dich umbringen lassen willst, mußt du das mit deinem eigenen Gewissen ausmachen.«
    Durch die Besichtigung meiner sämtlichen Ländereien war ich ausgesprochen hochnäsig geworden und antwortete sinngemäß, daß weder ich noch mein Gewissen sich von einer Bande spartanischer Knoblauchfresser abhalten ließen, von unserem Eigentum Besitz zu ergreifen. Danach versuchte Kallikrates, mich zur Vernunft zu bringen – er hatte mit aufmüpfigen Kindsköpfen immer mehr Geduld als sein Vater –, doch gerade dadurch stellte ich mich noch sturer, denn als er mir die Gründe darlegte, sah ich ein, daß ich im Unrecht war. Philodemos bekam daraufhin einen Wutanfall und stürzte hinaus, während sich Kallikrates nicht vom Fleck rührte.
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    »Willst du etwa nicht mit ihm gehen?« fragte ich ihn von oben herab.
    »Mach nicht alles noch schlimmer!« ermahnte mich Kallikrates zornig. »Ich kann dich doch hier nicht allein zurücklassen. Wer weiß schon, welche Dummheiten du sonst noch begehst?«
    »Wie du meinst«, erwiderte ich. »Morgen früh werden wir jedenfalls als erstes mein Land ansehen.«
    Und das taten wir auch. Kallikrates meinte, wenn wir schon solch eine Dummheit vorhätten, könnten wir sie wenigstens auf geringstmögliche dumme Weise ausführen.
    Deshalb weckte er mich ungefähr zwei Stunden vor Tagesanbruch, steckte mich in meine Sandalen, setzte mir den Hut auf und schleppte mich den Berg hinauf.
    Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal auf dem Kithairon gewesen sind. Falls nicht, kann ich Ihnen versichern, daß Sie nicht das geringste verpaßt haben. Auf dem Kithairon ist es unbeschreiblich öde, selbst wenn sich die Morgenröte über den Berg legt. Kallikrates war nicht besonders guter Laune, und der Gedanke, sein Leben aufs Spiel zu setzen, nur um einen Schwachsinnigen zu einem Morgen Bergland zu führen, trug nicht sonderlich zur Verbesserung seiner Stimmung bei. Er redete keinen Ton mit mir, und ich dachte nicht einmal im Traum daran, ihn anzusprechen. So stapften wir wie ein altes Ehepaar, das sich auf dem Weg zum Markt gestritten hat, schweigend nebeneinander her.
    Nach (wie es uns vorkam) hundert Jahren mühsamen Wanderns gelangten wir zu einer Felsplatte, auf der drei 133
    Baumstümpfe standen. Kallikrates blieb jählings stehen, breitete die Arme weit aus und sagte: »Hier ist es.«
    »Wirklich?« fragte ich.
    »Ja«, antwortete Kallikrates.
    »Woher weißt du das denn?« hakte ich nach. »Hier sieht doch alles gleich aus.«
    »Ich erkenne das Land an dem Hypothekenstein da drüben wieder«, erklärte Kallikrates und deutete auf einen aus der Erde ragenden Felsblock. »Das ist einer der wenigen Steine, die aus Versehen zu Solons Zeiten nicht weggeräumt wurden. Dieses Ding ist das einzig Interessante auf dem ganzen Kithairon. Ich bin schon damals als kleiner Junge hiergewesen, um ihn mir anzusehen. Können wir jetzt endlich gehen?«

»Wart mal! Ich möchte mir diesen alten Stein gern genauer ansehen.«
    »Also gut, wenn es unbedingt sein muß«, lenkte Kallikrates ein. »Aber beeil dich, um Himmels willen! Dir ist hoffentlich klar, daß man uns hier oben kilometerweit sehen kann, oder?«
    Ich ging zum Felsblock hinüber und nahm ihn genauer in Augenschein. Dabei handelte es sich um eine schlichte Steinsäule mit einer sehr alten Inschrift, deren Inhalt in etwa ›Mnesarchides an Polemarchos; ein Sechstel‹ lautete.
    »Zufrieden?« fragte Kallikrates. »Oder willst du den Stein noch ausmessen?«
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    Natürlich interessierte mich solch ein altes Steinmonument nicht im geringsten, aber um Kallikrates zu reizen, tat ich so, als wollte ich, mitgerissen von einer grenzenlosen Begeisterung über die historische Bedeutung dieses Funds, die Säule genauestens untersuchen. Während ich damit beschäftigt war, bemerkte ich plötzlich den Rauch.
    Als erstes fiel mir dazu ein, daß dieser Rauch überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem Qualm aus Schornsteinen hatte.
    Er stieg in einer riesigen Wolke auf und war pechschwarz.
    Solchen Rauch hatte ich schon einmal als Junge gesehen, als die Scheune unseres Nachbarn

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