Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
kleine Abkürzung hier oder einen Rückweg dort zu kennen, was natürlich nie der Wahrheit entspricht. Aber weil Dummköpfe unter dem besonderen Schutz der Götter stehen, besitzt Amyklaios das fast unheimliche Talent, letztendlich doch immer genau dort zu landen, wo er landen will, auch wenn er selbst nichts dafür kann.
Mit mir und dem Verfassen von Prosa verhält es sich genauso. Beim Schreiben beginne ich mit der Absicht, dem Leser eine Geschichte zu erzählen, werde dann von irgend etwas abgelenkt, das mich interessiert, und verliere mich schließlich im Uferlosen. Jetzt sind wir allerdings – ganz fahrplanmäßig – an dem Punkt angelangt, an dem ich gerade Phaidra kennengelernt hatte und kurz davor war, den langwierigen Prozeß zu unserer Verlobung einzuleiten.
Im Grunde sind wir der Zeit sogar ein ganzes Stück voraus, und deshalb werde ich Ihnen von meiner ersten Begegnung mit den Spartanern berichten, während wir gemeinsam darauf warten, bis uns der Haupterzählstrang wieder eingeholt hat.
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Wie ich Ihnen bereits erzählt habe, bevor ich zu Kleon abgeschweift bin, hatte ich als Folge der Pest ein recht großes Stück Land geerbt. Kaum hatte ich die eigentliche Bedeutung dieser Erbschaft begriffen, verspürte ich das dringende Verlangen, unverzüglich aufzubrechen und den ganzen Besitz genauer in Augenschein zu nehmen. Da Philodemos und Kallikrates grundsätzlich nichts gegen diese Idee einzuwenden hatten – schließlich ist es nur recht und billig, daß sich ein Mann für seine Besitztümer interessiert und die Aufsicht darüber nicht irgendeinem Verwalter oder Sklaven überläßt –, machten wir uns also auf die Reise.
Heutzutage ist aufgrund der Zusammenlegung von Landbesitz und des Kaufs und Verkaufs von Grund und Boden aus rein kaufmännischen Überlegungen natürlich alles ganz anders. Aber zu meiner Zeit konnte Grundeigentum einzig und allein durch Vererbung den Besitzer wechseln, und deshalb gehörten den meisten Leuten, die mehr als vier, fünf Morgen Land besaßen, zumeist gleich mehrere kleinere Parzellen, die über ganz Attika verstreut waren, und auch ich bildete da keine Ausnahme. Ganz abgesehen von den Ländereien meines Vaters in Pallene und Phyle (wirklich gute Besitzungen, wenn auch ein wenig zu hügelig) besaß ich überall in Attika Landflecke, von Prasiai bis Eleutherai und Oropos.
Zugegebenermaßen war keine dieser Parzellen besonders groß, und auf einigen davon konnte man zur Rast nicht einmal eine Decke ausbreiten, ohne unerlaubterweise den Boden von mindestens zwei Nachbarn zu betreten – was ich allerdings als nicht sonderlich hinderlich empfand.
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Bis Eleutherai ließen mir Onkel und Vetter meinen Willen, doch dabei riß ihnen fast der Geduldsfaden, wie es so schön heißt – und das kann ich den beiden nicht einmal verübeln, denn mit meiner ewigen Prahlerei und meinem ständigen Eigenlob muß ich ein ziemlich unerträglicher Reisegefährte gewesen sein. So bestand ich darauf, auch den letzten Quadratmillimeter meines Bodens zu untersuchen, obwohl allmählich die Jahreszeit näherrückte, da vernünftige Menschen längst wieder in die Stadt zurückkehrten. Wir hatten nahezu alles gesehen, was es zu sehen gab, bis auf einen winzigen Fleck auf den Hängen des Kithairon von allerhöchstens einem Morgen, der etwa vier Generationen zuvor als zusätzlicher Anreiz zum Ehevertrag draufgeschlagen worden war und auf dem das letztemal, als sich jemand die Mühe gemacht hatte nachzusehen, nur ein paar knorrige alte Olivenbäume standen.
Wir übernachteten in einer Herberge in Eleutherai, und es trafen bereits die ersten Berichte vom Heranrücken des spartanischen Heeres ein, das offenbar zu seiner alljährlichen Ferienreise aufgebrochen war. Kaum hörte Philodemos davon, bezahlte er die Rechnung und ordnete an, unsere Maultiere zu beladen.
»Reisen wir etwa schon ab?« fragte ich besorgt. »Wir haben uns doch noch gar nicht das Land auf dem Kithairon angesehen.«
»Jetzt sei kein Narr«, antwortete Philodemos. »Du hast doch gehört, was die Schafhirten sagen: Die Spartaner sind bald hier.«
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»Das ist mir doch egal«, entgegnete ich wütend. »Ich will mein Land sehen!«
»Hör mal, Eupolis«, erwiderte Philodemos geduldig,
»einer der großen Unterschiede zwischen Landbesitz und den Spartanern ist der, daß das Land dort bleibt, wo es ist.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es auch noch im Sommer da, wenn die Spartaner längst wieder zu Hause sind. Wenn du
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