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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Augen.
    »O weh, liebes Weib«, sagte ich mehr zu mir selbst als zu Phaidra, »ich fürchte, im Haus steht es nicht zum besten. Und du kannst von mir aus auch zur Hölle fahren.«
    224
    8. KAPITEL
    en größten Teil des ersten Tages nach dem D Auslaufen aus dem Hafen von Piräus schlief ich friedlich, aber danach war mir furchtbar schlecht. Nicht alle Athener sind auf Schiffen mehr zu Hause als auf dem Festland, was immer wir Ihnen in den Komödien weiszumachen versuchen, und der Gedanke, daß ich mich auf dem Weg in einen ausgesprochen feindseligen Teil des athenischen Reichs befand, trug nur wenig zur Beruhigung meines Magens bei.
    Um auf einem Truppentransporter von Athen nach Samos zu gelangen, muß man ein großes Stück offenes Meer überqueren; zunächst von Euböa nach Andros und Tenos, dann direkt hinüber nach Ikaria (wo man mit Steinen nach uns warf, als wir Wasser holen gingen) und schließlich zur Insel Samos, die fraglos das erbärmlichste Stückchen Land ist, auf dem ich jemals in meinem Leben gewesen bin.
    Sicher, Teile der Insel sind ganz außergewöhnlich fruchtbar und ertragreich – viel mehr als alles, was wir in Attika haben –, und ein Großteil der restlichen Flächen ist wie geschaffen für den Weinanbau. Doch selbst Zeus’
    Großmut hat nichts bewirken können, um die Menschen angenehmer zu machen, die eine grundsätzlich schlechte Meinung vom Rest der Welt und insbesondere von den Athenern haben. Der Schlüssel zum Verständnis der Samier ist ihr Haß auf ihre Nachbarn, die Milesier, der sich 225
    bis zum Anbeginn der Zeit zurückverfolgen läßt. Aber selbst wenn man seinen Nachbarn haßt (schließlich ist das eine ganz natürliche Eigenschaft der Menschen), denkt man gelegentlich auch an etwas anderes; zum Beispiel ob die Weinreben dieses Jahr wieder vernichtet werden oder ob der persische König in Baktrien einfallen wird. Nicht so die Samier und Milesier. Es war die Angst vor den Milesiern, nicht vor den Persern, weswegen die Samier in erster Linie dem athenischen Bund beitraten, und als wir zu Beginn des Kriegs anläßlich irgendeiner regionalen Kabbelei für die Milesier Partei ergriffen, sagten sie sich vom Reich los und ließen Gesandte aus Sparta kommen.
    Das hatte zur Folge, daß Perikles in See stechen und sie sich vorknöpfen mußte, was ihm erst nach einer langen und blutigen Belagerung gelang. Seither haben sie uns überhaupt nicht mehr gemocht, aber zum Glück gibt es ja die Milesier, mit denen sie sich beschäftigen können. Wie mir erzählt wurde, stellt sich ein Samier unter einem vergnüglichen Zeitvertreib vor, wenn er sich Freunde und Nachbarn einlädt, um mit ihnen gemeinsam einen oder zwei Krüge Wein zu öffnen (nebenbei bemerkt, schmeckt Samoswein wie Gerbbrühe) und mit Messern in einen Wollumhang zu stechen, weil Wolle der
    Hauptexportartikel von Miletos ist.
    Unsere Aufgabe auf Samos bestand darin, die Steuern einzuziehen, und niemand wußte, ob sich das als leicht herausstellen würde oder nicht. Laut unserem Taxiarchos sollte es wie das Pflücken von Äpfeln von einem niedrigen Baum werden; alle Samier sind dick, weil sie zuviel Schafskäse essen, und da sich die Demokraten und die 226
    Oligarchen ständig wegen des neuesten Plans für einen Überraschungsangriff auf Miletos in die Haare geraten, ist die eine Partei gezwungen, die andere zu verraten, die Stadttore zu öffnen und dem Heerführer im Schlaf die Kehle durchzuschneiden. Auf der anderen Seite erzählte eine Gruppe von Männern, die mit Perikles auf Samos gewesen war, eine ganz andere Geschichte. Ihnen zufolge hatte der ständige Krieg mit Miletos alle Bürger so hart wie Schildleder gemacht, und als sich die Samier erst einmal innerhalb der Stadtmauern befanden, hätte sie nur echter Hunger wieder herausgebracht. Außerdem hätten sie in der Verteidigung befestigter Dörfer und Städte (wieder gegen die Milesier) sehr viel Erfahrung gesammelt und die unangenehme Angewohnheit, jedem siedendes Blei über den Kopf zu gießen, der so nahe kam, daß sich die Mühe lohnte. Wie die Veteranen hinzufügten, hätten die Samier jede Menge Blei, das sie von den Kariern im Tausch gegen Olivenpreßkuchen und bemalte Töpferwaren erhielten.
    Tatsächlich bekamen wir während der ganzen ersten Woche unseres Aufenthalts auf der Insel keinen einzigen Samier zu Gesicht. Statt dessen bauten wir eine Mauer.
    Keiner wußte, welchen Sinn sie hatte, wo sie herkommen und wo sie hinführen oder wie hoch sie sein sollte und

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