Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
»Das ist wie beim Fischhändler, genauso…«
»Und dann fängst du an, die Gegend
zusammenzubrüllen und die ganzen Krüge umzustoßen und in Eiltempo gebratenen Breitling mit Sahnesoße zu verlangen, und warum ist der Boden nicht gekehrt worden und…«
221
»Jeder hat irgendeinen verdorbenen Fisch zu verkaufen«, unterbrach ich sie erneut. »Schon gut, Jungs, hier kommt Eupolis, dem können wir ihn andrehen.
Eupolis kauft alles, das weiß jeder…«
»Wovon redest du überhaupt?«
»Das weißt du sehr gut«, erwiderte ich wütend. »Und du hast es die ganze Zeit gewußt, oder?«
Sie schnaubte verächtlich, genau wie ein Pferd. »Um Himmels willen, Eupolis! Was erhoffst du dir eigentlich vom Leben? Du hast doch wohl nicht wirklich von mir erwartet, mich an dich heranzuschleichen und zu sagen:
›Heirate mich lieber nicht, ich werfe nämlich mit Tellern‹, oder was? Und selbst du kannst nicht so abgrundtief dämlich gewesen sein, um zu glauben, wir hätten der Heirat zugestimmt, weil wir dich mögen.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich meine, schau dich doch an. Selbst in den Silbergruben habe ich hübschere Männer als dich gesehen.«
Ich gaffte sie mit offenem Mund an; in diesem Moment hätte ich sie am liebsten erwürgt.
»Jetzt reicht’s mir aber!« brüllte ich sie schließlich an.
»Morgen früh gehst du sofort zu deinem Vater zurück.«
Sie starrte mich derart haßerfüllt an, daß ich mit Sicherheit zu spüren glaubte, wie sich allmählich meine Gesichtshaut abpellte. »Das würdest du nicht wagen«, erwiderte sie ängstlich.
»Und wenn du denkst, du würdest einen einzigen Obolos von deiner Mitgift zurückbekommen«, fuhr ich unbeirrt 222
fort, »dann bist du dümmer, als du aussiehst, denn ich kenne die Gesetze und…«
In diesem Augenblick ging sie auf mich los. Ich riß den Arm hoch, um die Augen zu schützen, aber das war es nicht, was sie im Sinn hatte. Sie ging mit ihrer Zunge auf meinen Mund los wie eine Drossel auf eine Schnecke, und als ich begriff, was sie machte, war es bereits zu spät, um etwas dagegen zu unternehmen, obwohl ich mein Bestes tat. Durch die Stelle, an der sie mich in die Oberlippe gebissen hatte, war mein Mund voller Blut, und mir war schlecht.
»Gut«, sagte sie, während sie sich von mir zurückzog,
»und jetzt versuch, dich von mir zu trennen.« Mit einem Ruck zog sie die Decke zu sich hinüber. »Und wenn du das tust, werde ich dafür sorgen, daß jeder Komödiendichter in Athen die vollständige Geschichte erfährt. Vielleicht mache ich das sowieso, weil mir bei dir das Kotzen kommt.
Und noch etwas anderes – was mich angeht, war das eben das erste- und das letztemal. Du bist ein Jammerlappen, verstehst du?«
In diesem Moment war ich nicht in der Stimmung zu streiten. Ich dachte, so mußte sich Agamemnon gefühlt haben, als er sich im Bad ausruhte und ihm seine Frau mit einer Axt den Kopf spaltete, woraufhin das ihn umgebende Wasser ein dunkelblaues Purpur annahm. Ich spürte, wie das Unglück um mich herumschwirrte wie Fliegen im Sommer; man kann sie nicht fangen, und sie krabbeln überall an einem herum, in die Ohren und sogar unter den Chiton. Ich kroch an den äußersten Bettrand und leckte mir das Blut von der aufgebissenen Lippe.
223
Aber andererseits, sagte mir meine innere Stimme, denk auch daran, was für ein Glück du hast, eine kläffende Komödiantin als intimste Gefährtin zu haben, Eupolis aus dem Demos von Pallene. Man wird über die komische Seite dieses Geschehens lachen, noch bevor deine Nägel das nächstemal geschnitten werden müssen – komisch vielleicht nicht für dich, aber bestimmt für andere. Wenn sie Herakles’ und des Suppentopfs überdrüssig geworden sind, wenn das Einfangen der Kerkopen auf eisiges Schweigen stößt und selbst Kleon und die dreißig Talente sie nicht mehr bewegt, wird jemand sagen: »Komm, Eupolis, erzähl uns die Geschichte von deiner Hochzeitsnacht, und vergiß nicht den Teil mit…« Denk dran, was immer dir auch passiert, sie können nur deinen Körper verletzen; aber deine Seele ist die eines Komödiendichters, und alles Alberne, Lächerliche und Absurde ist für dich kostbarer als alle Silbermünzen. Reiß dich zusammen, schrie meine innere Stimme, es ist Zeit, Agamemnons Maske abzunehmen und die des Verkünders aufzusetzen.
»Jetzt sag endlich was dazu!« zischte Phaidra mich an.
»Oder bist du auch noch stumm?«
Ich lächelte, legte mich aufs Kopfkissen zurück und schloß die
Weitere Kostenlose Bücher