Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
verkaufen. Natürlich hat er nicht annähernd den vollen Gegenwert dafür erhalten – wer kauft heutzutage schon Weingärten? –, aber zusammen mit den 256
paar Münzen, die du vor deiner Abreise nicht weggeschlossen hattest, hat das Geld gerade so gereicht.
Aber sag mal, wäre es nicht allmählich angebracht, zum Haus deines Onkel hinüberzugehen, um das Talent zu holen?«
»Wer hat dir erzählt, daß ich ein Talent besitze?« brüllte ich sie an, aber sie drehte sich einfach um und verschwand in den Innenraum. Weil ich mich fürchtete zu sehen, mit welchen Wundern der Silberschmiedekunst sie ihn dekoriert hatte, traute ich mich nicht, ihr zu folgen. Also versetzte ich dem libyschen Jungen einen wütenden Tritt in den Hintern, legte die Rüstung ab und begab mich auf kürzestem Weg zum Haus meines Onkels.
Nur zum Spaß versuchte ich, gegen den staatlichen Gerichtsvollzieher vorzugehen. Der Vertrag war nicht ganz fehlerlos abgefaßt – ich glaube, einer der Götter war in der Anrufungsklausel weggelassen worden –, aber die von mir zu Rate gezogenen Anwälte sagten mir, ich sollte das vergessen; kein Gericht werde mit einem Menschen Mitleid haben, der eingezogenen Besitz gekauft und dann versucht habe, dem Staat durch den Rücktritt von einem besiegelten Vertrag ein Schnippchen zu schlagen.
Mein Onkel löste meine unmittelbaren finanziellen Probleme, indem er für zehn Jahre einen Teil meines Lands in Phyle pachtete, das im Moment nichts einbrachte und in absehbarer Zukunft höchstwahrscheinlich nichts als eine Belastung gewesen wäre. Zudem bezahlte er mir einen nach den Vorkriegsernten bemessenen Betrag, was 257
ziemlich dasselbe war, als hätte er mir das Geld geschenkt, und tatsächlich bezeichnete er diese Geste noch lange Zeit später als sein eigentliches Hochzeitsgeschenk für mich. Er konnte sich so großzügig geben, weil der Anteil meines Großvaters an den Silbergruben, die mein Onkel behalten hatte, als er mir den Rest meines Besitzes übergab, dank des Krieges beträchtliche Gewinne einbrachte. Außerdem lieh er mir genug zum Kauf eines Anteils an einer Ruderblattwerkstatt, die einigen seiner Freunde gehörte, was sich als die beste Investition erweisen sollte, die ich je getätigt hatte.
Jetzt, nachdem mein neues Haus bezahlt war und ich dort wohnte, versuchte ich, das Beste daraus zu machen; aber ich haßte mein neues Heim. Zunächst einmal wurde ich das Gefühl nicht los, daß in jeder Ecke das Unglück des Vorbesitzers lauerte, und obwohl ich mehrmals seinem Geist Opfer darbrachte und alles, was sich in Sichtweite befand, mit Hühnerblut besprenkelte (was Phaidra überhaupt nicht gefiel), war mir die Vorstellung, in diesem Haus allein zu sein, nie angenehm.
Dann weigerten sich natürlich viele der Leute, die Exekestiades gekannt hatten, einen Fuß in das Haus zu setzen, weil er ein beliebter Mann war und, nach allem, was man hört, ein guter und ehrlicher Politiker gewesen war. Als wollte sie mir den Verlust soviel guten gesellschaftlichen Umgangs ersetzen, fing Phaidra damit an, das Haus mit ihren Verwandten und den Freunden ihres Bruders zu füllen, von denen ich niemanden ausstehen konnte. Auf der anderen Seite hätte ich es vorgezogen, täglich mit einem Hausvoll Thesalliern zu essen und zu 258
trinken, als auch nur einen einzigen Abend allein mit Phaidra verbringen zu müssen.
Wie mein häusliches Leben aussah, können Sie sich leicht vorstellen, wenn ich Ihnen verrate, daß ich es nie geschafft habe, Phaidra auch nur ein einziges Mal wegen des Hauskaufs richtig zusammenzustauchen; sie kam mir stets zuvor. Kaum hatte ich den Fuß über die Schwelle gesetzt, lag sie mir mit einer neuen Beschwerdeliste in den Ohren, so daß ich ewig durch irgendwelche unbedeutende häusliche Kleinigkeiten in die Defensive gedrängt war.
Streitereien und schlechte Laune habe ich immer gehaßt –
ich kriege davon Kopfschmerzen und scheine die Wörter nicht mehr richtig herauszubekommen. Deshalb zog ich es bald darauf vor, taktische Rückzüge anzutreten (wie die athenischen Feldherren bei Marathon), normalerweise in die Vorratskammer oder sogar in die Ställe, wo es warm und bis auf das Atmen der Pferde ruhig war. Ich bekam sehr wenig Schlaf – ich glaube, Phaidra schlief tagsüber viel, damit sie nachts aufbleiben und jammern konnte –
und hatte natürlich überhaupt keine Hoffnung, im eigenen Haus auch nur ansatzweise so etwas wie eine Komödie schreiben zu können. Der einzige Ausweg, der mir
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