Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
nicht mit deinen schmutzigen Sandalen auf dem Teppich rum!« schimpfte Phaidra. »Immerhin hat 253
er dich zwölf Drachmen gekostet, und du kannst von Glück sagen, ihn dafür gekriegt zu haben.«
Ich trat vom Teppich auf den Steinfußboden. »Wessen Haus ist das hier eigentlich, Phaidra?« fragte ich. »Und was, zum Teufel, tust du hier? Du solltest im Haus meines Onkels sein.«
»Schließlich ist das hier dein Haus, du undankbarer Flegel!« entgegnete sie gereizt. »Oder es wird zumindest dein Haus sein, nachdem du zum Büro des Archons gegangen bist und es bezahlt hast. Dein gräßlicher Onkel wollte nämlich nichts von dem Geld in deiner Kassette herausrücken.«
»Du hast dieses Haus vom staatlichen Gerichtsvollzieher gekauft?« keuchte ich.
»Nein, du hast es gekauft«, antwortete sie. »Schließlich ist es mir nicht erlaubt, Grundbesitz zu erwerben. Vergiß das nicht.«
Wenn ich nicht so überrascht gewesen wäre, dann weiß ich nicht, wie ich reagiert hätte. Aber ich stand einfach nur wie benommen da, wobei mir der Lorbeerkranz (verliehen für die Rettung des Lebens eines athenischen Mitbürgers) mittlerweile völlig schief auf dem Kopf saß, und versuchte, ein paar passende Worte zu finden, und während ich noch danach suchte, fuhr Phaidra bereits fort.
»Schließlich konnte ich nicht weiter in dem Haus deines Onkels wohnen – ich meine, der Mann ist unerträglich, der kommandiert mich andauernd herum, als ob ich sein Dienstmädchen oder sonstwas wäre. Und deinen ach so anständigen Vetter Kallikrates kann ich einfach nicht 254
ausstehen. Ich glaube nicht, daß wir die beiden jemals wiedersehen werden. Außerdem ist das hier ein gutes Haus
– klar, es ist ziemlich teuer, aber du kannst es dir gerade so leisten, wenn du etwa ein Jahr lang sparsam bist. Natürlich wirst du ein Weilchen ein wenig knapp bei Kasse sein und mußt vielleicht auf einige deiner Weingärten in Pallene eine Hypothek aufnehmen, aber das sollte kein Problem sein. Ich bin sicher, die wird mein Vater übernehmen, falls sich sonst niemand findet.«
»Du hast in meinem Namen eingezogenen Besitz gekauft? Hast du eigentlich eine Vorstellung, was die Leute über uns sagen werden?«
»Sicherlich«, antwortete Phaidra, und sie lächelte dabei hinterhältig.
Heute frage ich mich, warum ich damals so lange gebraucht habe, um dahinterzukommen. Natürlich wußte Phaidra genausogut wie ich, daß der Aufkauf des eingezogenen Besitzes eines hingerichteten Mannes nicht nur höchstes Unheil bedeutete, sondern auch von allen anständigen Menschen für fast so schlimm wie Grabschändung gehalten wurde. Der alleinige Grund, warum Phaidra dieses Haus gekauft hatte, war also, mich so schlecht wie möglich dastehen zu lassen. Sie wußte außerdem, daß ich keine Möglichkeit hatte, aus der Sache herauszukommen, denn sie mußte mein persönliches Siegel benutzt haben, um den Vertrag mit dem staatlichen Gerichtsvollzieher aufzusetzen. Wenn ich ein Dokument mit meinem Siegel nicht anerkannt hätte, hätte ich danach ein Leben lang Schwierigkeiten gehabt, in Athen etwas Größeres als einen kleinen Breitling zu kaufen.
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»Ein Glück, daß du heute zurückgekommen bist«, fuhr Phaidra fort. »Heute ist nämlich der letzte Zahltermin, und soviel ich weiß, ist der Zinssatz ziemlich hoch.«
Ich wußte, daß ich mich geschlagen geben mußte. »Also schön, du Miststück!« fuhr ich sie an. »Wieviel hat mich der ganze Spaß gekostet?«
»Ein Talent«, antwortete sie und kicherte.
Ich setzte mich auf eine Liege und stützte den Kopf in die Hände, als mir plötzlich ein anderer Gedanke kam.
»Und was ist das alles für Plunder?« fragte ich und fuchtelte mit den Armen in Richtung der ganzen Liegen und des silbernen Geschirrs. »Wo kommt das alles her?«
»Wenn wir meine Familie und die Freunde meines Vaters bewirten wollen«, antwortete Phaidra in freundlichem Ton, »soll das Haus schließlich nicht wie eine Scheune aussehen, findest du nicht? Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, von den Händlern wollte mir niemand Kredit geben, deshalb sind sämtliche Möbel und auch alles andere bereits bezahlt. Ich habe meine fünfundzwanzig Morgen Land verkauft.«
»Du hast was verkauft?«
»Meine Mitgift, meine fünfundzwanzig Morgen Land.«
Sie kicherte erneut und schien sich prächtig zu amüsieren.
»Die sind damals vor deiner Abreise nicht formell auf dich überschrieben worden, falls du dich erinnerst, und deshalb konnte sie mein Vater
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