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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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vorbeizuschauen, wo ihn Phaidra so herzlich wie einen von der Pest befallenen Bettler empfing.
    Phaidras Widerwillen, einen meiner Bekannten im Haus zu haben, kann ich gut verstehen, da sie die langen Stunden unserer Ehe genauso erfolgreich ausfüllte wie ich, wenn nur die Hälfte der Gerüchte stimmte, die mir zu Ohren kamen. Ein Ehemann glaubt natürlich immer die Gerüchte, die sich um seine Frau ranken, auch wenn diese nur sehr selten der Wahrheit entsprechen. In Phaidras Fall waren aber derart viele in Umlauf, und alle hörten sich so glaubhaft an, daß selbst der ungläubigste Richter es schwierig gefunden hätte, sich davon nicht überzeugen zu lassen.
    Über den Gedanken, mich vielleicht von Phaidra wegen Ehebruchs scheiden lassen zu können und sie für immer los zu sein, war ich zunächst überglücklich. Ich erinnere mich, wie ich zu Hause in Pallene oder in Philodemos’ Haus Witze darüber machte; wir tranken auf meinen Erlöser, als wäre er ein neuer Solon, der zur Befreiung der Sklaven gekommen war, und paßten daran den Text der Harmodioshymne an. Aber irgendwie konnte ich mich nie dazu aufraffen, in dieser Sache etwas zu unternehmen, obwohl Philodemos und Kallikrates mir anboten, den Prozeß für mich durchzufechten.
    »Um Himmels willen, Junge!« ermahnte mich Philodemos immer wieder. »Das ist wie ein Geschenk vom 265
    Olymp, und du sitzt nur dumm rum und tust nichts. Falls dir der Verlust der Mitgift Sorgen macht, die laut Gesetz bei einer Scheidung an Phaidra zurückübertragen werden müßte, so habe ich bereits mit der Hälfte der Anwälte in Athen gesprochen, und die meinen…«
    Aber ich schüttelte jedesmal nur den Kopf und wechselte das Thema, und nach einer Weile hörten beide auf, sich darüber Gedanken zu machen. Sie hielten mich einfach für verrückt oder zumindest für einen aussichtslosen Fall; vielleicht warteten sie aber auch nur darauf, daß Phaidra schwanger werden würde und ich gezwungen wäre, etwas zu unternehmen. Ich konnte mein Verhalten selbst nicht ganz verstehen und wußte nur, daß es etwas war, das nächste Woche erledigt werden mußte, vielleicht aber auch erst nächsten Monat oder womöglich nach der Feigenernte.
    Es kam der Tag, an dem Der Heerführer zu meinem untrennbaren Freud- und Leidwesen fertig war, und so sehr ich mich auch bemühte, fiel mir kein Grund kein, warum ich ihn nicht zum Archon bringen sollte. Alles war praktisch so vollkommen, wie es nur sein konnte. So unterstützten mich mehrere einflußreiche Leute, zu denen auch Philonides höchstpersönlich gehörte, und ich war alt genug, um in meinem eigenen Namen einen Chor zu erwirken. Da fällt mir ein, daß ich versäumt habe, meine Volljährigkeitsfeiern und die Eintragung in das Phratrie-Register zu beschreiben. Als ich mit der Niederschrift dieser Geschichte anfing, hatte ich eigentlich vorgehabt, einen vollständigen Bericht davon zu geben, weil künftige 266
    Generation wissen sollten, wie solch eine Zeremonie im Athen auf dem Gipfel der Macht aussah. Aber um Ihnen gegenüber ehrlich zu sein: Das ist eine dermaßen langweilige Angelegenheit, daß ich einfach keine Lust dazu habe. Wenn Sie unbedingt etwas darüber lesen möchten, empfehle ich Ihnen, eine der in Versen abgefaßten Beschreibungen der alten Lyriker auszugraben.
    Jedenfalls trottete ich mit einem großen Tornister voll von ägyptischem Papyros unglücklich zum Haus meines Onkels hinüber, nahm seinen Schreiber in Beschlag und diktierte diesem das ganze Stück in einem Zug. Danach ließ ich mir von dem armen Kerl alles vorlesen, berichtigte die Fehler und ließ ihn fünf saubere Abschriften anfertigen, wobei ich ihm die ganze Zeit auf die Finger sah, nur um sicherzugehen, daß er seine Arbeit ordentlich erledigte. Ich lebe in der ständigen Angst, daß meine Texte durch unfähige Abschreiber entstellt werden könnten. Meiner Meinung nach kann schon ein kurzes Nachlassen der Aufmerksamkeit gleich eine ganze Rolle ruinieren, und durch die Arbeitsstuben der Abschreiber geht jedesmal ein abfälliges Raunen, wenn ich vorbeischaue, um nachzusehen, wie man dort vorankommt.
    Als die Rollen fertig geschrieben, geschnitten, getrocknet, aufgerollt und mit Bimsstein poliert waren, steckte ich sie in kleine Bronzezylinder, die ich eigens in Pallene hatte anfertigen lassen und die auf der Außenseite ordentlich mit Der Heerführer von Eupolis, Sohn des Euchoros, aus dem Demos Pallene und der Anfangszeile des Stücks beschriftet worden waren, und

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