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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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haben, und schadete niemandem.
    Vor allen Dingen machte ich mich wieder an mein Stück. Körperliche Arbeit empfand ich für die Dichtung äußerst förderlich, und da ich den kompletten Text des Heerführers im Kopf mit mir herumtrug, konnte ich daran feilen, wo immer ich mich gerade aufhielt. Ich bin sicher, daß mehrere meiner Saisonarbeiter, wenn sie noch leben, Ihnen heute noch die großen Reden aus diesem Stück vortragen könnten, denn diese haben sie oft genug gehört, und als vernünftige Menschen waren sie stets darauf bedacht, nur an den richtigen Stellen zu lachen. Wenn es zum Arbeiten zu heiß wurde und wir alle im Schatten des nächsten Baums Schutz suchten, haben wir hin und wieder meinen Nachbarn ein paar Szenen vorgeführt. Natürlich übernahm ich die Hauptrolle, und der kleine Zeus war mein Einmannchor; die restlichen Rollen wurden unter den Sklaven und den freien Arbeitern verteilt. Ich bezweifle, ob 262
    ich jemals wieder ein dankbareres Publikum als diese Bauern von Pallene und Phrearrhos haben werde, die allesamt recht froh darüber waren, einen Grund zu haben, nach einem Morgen harter Arbeit still daliegen zu dürfen und nicht erst drei Tragödien über sich ergehen lassen zu müssen, bevor sie in den Genuß einer Komödie kamen.
    Auf jeden Fall lohnte es sich, sie zu beobachten, um festzustellen, was sie zum Lachen brachte und was unbemerkt verpuffte, wie weit man einen Witz treiben konnte, bevor er langweilig wurde, und wie lang die ein oder andere Szene im Idealfall sein durfte.
    Soweit ich mich erinnern kann, zögerte ich den furchtbaren Tag, an dem ich nichts mehr an dem Stück verändern konnte, ohne es vollkommen zu verderben, und es dem Archon vorlegen mußte, so lange wie möglich hinaus – wie ein Gutspächter den Tag verflucht, an dem er seinen Jahresertrag herbeischaffen muß, damit er gemessen und geteilt werden kann. Am meisten fürchtete ich mich davor, keinen Chor bewilligt zu bekommen; schließlich gab es bereits mehr Komödiendichter als Chöre, und nach dem, was ich mitbekam, meldeten sich fast jeden Tag neue.
    Wann immer ich den Namen eines anerkannten Dichters hörte, wurde ich von Haß erfüllt und stellte zu meiner eigenen Schande fest, daß ich die Götter anflehte, der eine oder andere von ihnen möge im Krieg fallen oder von der Pest dahingerafft werden. Wenn ich allerdings in der Stimmung war, meinen Heerführer eingehender zu betrachten – was ich für einen bescheidenen Menschen viel zu häufig tat –, konnte ich vom ersten Witz bis zum Abgang des Chors ganz ehrlich keine einzige Schwäche 263
    oder gar Unvollkommenheit darin entdecken. Wohingegen ich an anderen Tagen, zum Beispiel nach langem Ringen mit einer schwerfälligen Szene, arg bezweifelte, ob überhaupt jemals irgendein Mensch, wie geisteskrank er auch immer sein mochte, dazu gebracht werden könnte, über solch einen langweiligen Blödsinn zu lachen; es steckte nichts in dem Stück, was nicht schon hundertmal vorher hundertmal besser gemacht worden wäre. Um es kurz zu sagen: Es gab Tage, an denen ich das Stück liebte, und Tage, an denen ich es haßte, aber meine Gedanken kreisten immer darum. Es war die entscheidende Geschichte, auf die ich mich wirklich freuen konnte, doch zugleich war sie wie ein schrecklicher Schatten, der drohend über mir schwebte. Bei einem Erfolg des Stücks wünschte ich mir, am liebsten im selben Moment zu sterben, und falls es durchfallen würde, mich vom Turm im Töpferviertel zu stürzen und mit allem fertig zu sein.
    Zu allem Unglück hatte mich Philonides, der Chorlehrer, nicht vergessen. Sie entsinnen sich vielleicht, daß er in jener Nacht auf Aristophanes’ Fest sein Interesse bekundet hatte. Eigentlich war ich davon ausgegangen, nie wieder etwas von ihm zu hören, doch sollte sich das als völliger Trugschluß herausstellen. Es wurde sogar ziemlich peinlich, denn anscheinend lief ich ihm überall über den Weg, und das nicht nur in der Stadt, sondern sogar auf dem Land, da er in Phrearrhos nicht weit von meinem Besitz ein Grundstück besaß. Außerdem schien ich ihm immer nachts auf dem Nachhauseweg zu begegnen, und bei jedem Zusammentreffen fragte er mich: »Hast du schon etwas für mich?«, und jedesmal antwortete ich: »Na ja, fast; aber es 264
    gibt noch ein paar Sachen, die ich glätten muß…« Aber das schien ihm nicht die Lust zu nehmen, sondern nur noch begieriger zu machen, und zum Schluß ging er sogar dazu über, in meinem Haus in der Stadt

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