Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
endlich erblinden lassen, um mir eine weitere Heilbehandlung zu ersparen.
Meine erste Kostprobe vom Soldatendienst hingegen war eigentlich gar nicht so übel ausgefallen, und ich war beinahe traurig, daß er vorbei war. Meine Waffen und die Rüstung waren heil geblieben, für die Rettung des Lebens eines Mitbürgers wurde mir vom Taxiarchos ein ziemlich 250
billig wirkender Lorbeerkranz überreicht, den ich allerdings trotz gewisser Vorbehalte deutlich sichtbar trug, als ich über den Marktplatz zurück zu meinem Haus schlenderte. Natürlich hatte ich zudem neun oder zehn neue Busenfreunde gewonnen. Wir hatten uns unsterbliche Freundschaft geschworen, wie es bei der Armee nun einmal Brauch ist, doch habe ich die meisten von ihnen niemals wiedergesehen. Der einzige, mit dem ich mich überhaupt noch regelmäßig traf, war Artemidoros, der Veteran. Da er mein Nachbar war, sah ich allerdings viel mehr von ihm, als ich mir gewünscht hätte. Er hatte (ganz richtig) vermutet, daß sein wohlhabender junger Waffengefährte eine gute Adresse sein würde, um sich einen Pflug oder ein, zwei Krüge Saatkorn auszuleihen, und es schien für ihn eine Art Schicksalsschlag gewesen zu sein, als er feststellen mußte, daß ich schon verheiratet war, denn er hatte noch eine Tochter übrig. Für mich war die Rückkehr allerdings auch so etwas wie ein Schicksalsschlag, denn während des Einsatzes auf Samos hatte ich an Phaidra nicht allzu viele Gedanken verschwendet.
Ich war gerade vor Philodemos’ Tür angekommen und wollte eintreten, als ein libyscher Sklavenjunge, den ich nie zuvor gesehen hatte, hinter mir herstürmte und an meinem Umhang zerrte.
»Laß mich gefälligst los!« befahl ich ihm, weil bereits die Leute guckten. »Was willst du überhaupt?«
»Meine Herrin sagt, du sollst mit mir zu ihr nach Hause kommen«, flehte er mich eindringlich ab.
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Ich starrte ihn verdutzt an und drohte ihm im Flüsterton:
»Verschwinde, ich bin ein ehrbarer Ehemann.«
»Bist du Eupolis von Pallene?« fragte der Junge.
Ich antwortete, ja, der sei ich, und fragte ihn, ob ihn das etwas angehe, woraufhin er wieder anfing, an meinem Umhang zu zerren, und ich schon fürchtete, er könnte die Spange kaputtmachen.
»Dann sollst du sofort mit mir zu ihr nach Hause kommen«, sagte der Junge mit lauter Stimme. »Jedenfalls sagt das meine Herrin.«
»Hör mal! Wer, in Gottes Namen, bist du eigentlich, und was willst du überhaupt?« schnauzte ich ihn an. »Ich bin gerade von Samos zurück und möchte…«
»Ich bin dein Sklave Doron«, erwiderte der Junge. »Du solltest lieber mitkommen.«
Ich schulterte meinen Schild und folgte ihm fast durch die ganze Stadt, bis wir zu den vergleichsweise prunkvollen Häusern in der Nähe des alten Fischmarkts kamen. Aristophanes und viele andere reiche, vornehme junge Männer wohnten in dieser Gegend. Wir blieben vor der Tür eines großen, stattlichen Hauses stehen, das ich als Heim eines gewissen Exekestiades in Erinnerung hatte, der kurz vor meiner Hochzeit wegen Hochverrats hingerichtet worden war.
»Und was wollen wir hier?« fragte ich.
»Du wohnst hier, Herr«, antwortete der Junge. »Beeil dich!«
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Ich konnte daraus nicht schlau werden, deshalb spuckte ich in meinen Umhang, um das Glück heraufzubeschwören (zumal ich ein von Unglück und Tod heimgesuchtes Haus betrat), und folgte ihm hinein.
Wir kamen in einen großen kalten Raum mit einer hohen Decke, den irgend jemand äußerst kostspielig hatte ausstatten lassen. Auf dem Tisch stand ein silbernes Mischgefäß, rundum von silbernen und goldenen Kelchen mit Reliefs umgeben; überall hingen persische Wandteppiche, und auf dem Boden lagen baktrische Läufer; die Liegen hatten Beine aus Bronze, und neben der Feuerstelle stand eine große vergoldete Statue von Agamemnon, wie er bei seiner Rückkehr aus Troja von Klytaimnestra ermordet wird, die, schätzte ich, den Besitzer genauso viel Geld gekostet haben mußte, wie mir mein Grundbesitz in Phyle in einem Jahr einbrachte. Vor dem Feuer schliefen zwei teure spartanische Hunde, und von den Dachsparren hingen zwei Vogelkäfige und ein Affenjunges herab. Bei diesem Prunk gewann man den Eindruck, im Haus einer äußerst wohlhabenden Witwe zu sein.
Die Tür zum Innenraum öffnete sich, und in ihr stand Phaidra, gekleidet in ein Saffrankleid. »Du bist also tatsächlich wieder da!« begrüßte sie mich.
»Was, in Zeus’ Namen, geht hier eigentlich vor?« wollte ich wissen.
»Steh gefälligst
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