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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Die Herren spien einsilbig Wörtchen aus den Mundwinkeln wie »Pflicht«, »unabänderlich«, »Beschluß«.
    »Wollt mich tribulieren, Ihr Herren von Heidelberg. Seid aber hier auf heißem Boden, wisset.«
    Knauten: »Unabänderlich. Muß sein.«
    »Können die Herren Ihre Anliegen selbst betreiben. Scheinen zu glauben, ich wäre Ihretwegen zur Stelle. Bin Gesandter des englischen Königs und Parlaments, das beleidigt ist. Das ist alles.«
    »Gut. Gut. Verstehen. Der Herr verstatte.«
    »Verstatte. Ich habe Zeit.«
    »Unsere Dienste dem Herrn. Gott zum Gruß.«
    »Nun, nun, die deutschen Herren. Machen wir Parlament oder Boxkampf?«
    Schob seine blauseidenen Ärmel hoch, Stock zwischen den starken Zähnen, wies seine dicken Muskeldrähte. Minutenlang stand er da, wiegte die Arme. Sie gingen geduckt auf und ab, Hände auf dem Rücken. Er zog den zerknitterten Stoff wieder herunter, stampfte mit grobem Lachen hinaus.
    Der Kaiser war nicht da. Als er da war, empfing er nicht. Die Wut der beiden Pfälzer Räte, daß Digby in Wien flanierte, sich um nichts kümmerte, vielleicht für sich verhandelte.
    Spätabends trat er in die Gaststube ihres Quartiers, wo sie unter den Kerzen saßen, Honigbier tranken. Auf der Schwelle schrie Digby, dessen Masse im Dunkeln sich unsicher bewegte: »Rusdorf!«
    »Der Herr?«
    »Rusdorf, kusch dich!«
    Der entsetzt.
    »Hui hui. Was ich sag’. Kusch dich.«
    »Er ist verrückt«, flüsterten die Räte.
    »Auf den Tisch, hopp.«
    »Was.«
    »Hopp auf den Tisch.« Mit schütternden Schritten Digby näher. Pawel hauchte: »Er ist verrückt. Tu’s.« Rusdorf, im langen braunen Rock vor Digby ausweichend, sprang plötzlich auf den Tisch neben das Bier, hob den Arm: »Ich protestiere im Namen meines königlichen und kurfürstlichen Herrn.«
    »Bist ganz still. Der andre.«
    Der sagte gar nichts, achtete verkniffenen Gesichts auf Digbys Mund.
    »Der andre.« Als Digby zum dritten Male brüllend ansetzte: »Der –«, stieg Pawel zusammenfahrend auf Tisch, Stuhl, setzte sich auf die Kante der Tischplatte gegenüber Rusdorf. Zufrieden nickte der Große: »Ist schön. Ist schön. Runter vom Tisch.« Nahm sich eine Kerze, ging hinaus, vor sich leuchtend. Allein die beiden. Sie tasteten sich auf Pawels Zimmer, schlossen die Tür, sahen sich an, machten eine Bewegung, als wollten sie sich in die Arme fallen, griffen sich nach den Händen.
    Pawel stöhnte: »Was bleibt uns übrig, als uns umzubringen.«
    Rusdorf gebrochen: »Herr Bruder.«
    Pawel konnte sich nicht beruhigen. »Er kommt öfter. Verlaßt Euch darauf. Es war das erstemal. Er hat es heute erst versucht.«
    »Pawel, was sollen wir tun.«
    »Es kommt noch schlimmer. Und – wir müssen unserem Herrn dienen.«
    »Unser armer armer König.«
    Als Digby am nächsten Mittag kam, saß Rusdorf, der aus Furcht nicht das Quartier verließ, allein da. Ohne ein Wort zu sagen, hob Digby den Stock. Dann pfiff er. Flehentlich sagte Rusdorf: »Der Herr treibt es zu weit. Weiß der Herr nicht, wem wir dienen?«
    Der pfiff.
    »Einem hochgeborenen Herrn, dem Schwiegersohn des Königs von England.«
    Es bedurfte nur eines Schritts von Digby, um Rusdorf auf den Tisch zu bringen neben eine Breischale.
    Der Lord, Hut Stock Degen auf die Diele schmetternd, rückte sich den Stuhl zurecht, langte nach dem Krug, fragte schlukkend den Rat: »Wie war das mit seinem Herrn. Es gefiel mir.« Rusdorf beschwor ihn leise, mit einem gewissen vertraulichen Ton in der Stimme, er möchte doch Vernunft annehmen, ihre gemeinsamen Interessen bedenken, die Verwandtschaft ihres Herrn und alles; sie müßten sich persönlich verstehen lernen, da ihre Sachen Hand in Hand gingen. Digby fragte, wessen das fast ausgetrunkene Weinglas sei; und zum maßlosen Entsetzen Rusdorfs rief der Lord nach dem Hausdiener, der sogleich eintrat, an der Tür stutzend stehenblieb. Wein wollte der Lord; für den Herrn oben auf dem Tisch ein neues Glas.
    Rusdorf hatte nicht vermocht, vom Tisch herunterzusteigen; ein kleiner Blick Digbys von unten hielt ihn fest. Jetzt saß er, die Augen mit den Händen verhüllend, da, stumm, während der Lord schmatzte, schluckte, ihm kräftig zum Abschied die Schulter schlug.
    Rusdorf erwähnte gegen Pawel diesen Besuch nicht. Er sah es kommen, wie Digby mit dem Stock spielte, daß er Hiebe von ihm kriegte. Mit schmerzlichem Verständnis suchte er die Ungezogenheit und Wildheit Digbys auf sich zu lenken, damit mit Pawel die Geschäfte vonstatten gingen; verteidigte

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