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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Wänden Straßenmauern schlich er wie sonst, hohe Bediente Würdenträger wichen vor ihm aus.
    Schiefschultrig feingesichtig, einen mausgrauen Mantel um den niedrigen Leib, stand eines Mittags Kaspar Frey, der Römischen Majestät alter Geheimsekretär aus erzherzoglichen Zeiten, vor Gurlands erhöhtem Schreibpult. Die Tür hatte er fest hinter sich angezogen. Er nahm die Zeit des unruhigen gelbgesichtigen Mannes oben mit höfischen nichtssagenden Redensarten und Pausen in Anspruch. In einem hintern Flügel der Burg lag die Schreibstube; Gurland, schwarze mißtrauische Blicke werfend, schnalzte im Chorgestühl heftig an einem Entenkiel. Kaspar Frey suchte ihn freundlich zu stimmen, reizte ihn, nahm auf der rotbezogenen Besucherbank Platz. Schließlich gab er zögernd Auskunft, auch daß er im Namen des Kaisers käme. Der unzugängliche Mann oben, dem man vieles geboten hatte, schwieg lange. Was Frey vortrug, überstieg alles Frühere; er sollte zum Mitwisser Mittäter eines unglaublichen Unterschleifes gemacht werden; der Kaiser nicht, eine verwegene Person steckte dahinter, denn Frey war sicher nur Zwischenträger. Als sich die Tür hinter dem Abgesandten schloß, nachdem er eine halbe Zusage empfangen hatte, die ihn sicher machen sollte – in zwei Stunden hoffte Gurland ihn nach einem kurzen Überschlag ganz zufrieden zu stellen –, kramte der erschrockene Mann drin fiebrig mit seinen gelben Fingern nach seiner Seidenmütze. Er setzte sie sich auf seinen glatten starken Schädel, zischelnd rief er nach seinen Schuhen, auf dicken Pantoffeln schlendernd. Zum Kaiser; es war sonst sein eigenes Verderben.
    Ferdinand, aus der Kapelle zurückkehrend, empfing ihn traurig. Er streichelte ihm die Hand: »Er kam in meinem Auftrag.« Und als der entsetzt noch einmal fragte, sagte Ferdinand leise: »Ja, wirst du vermögen zu schweigen. Und wenn du es nicht kannst, sag es nur ruhig. Du wirst mich nicht kränken. Du wirst in allen Ehren bleiben.« Gurland fassungslos, Tränen in den Augen, fühlte seine Nasenhöhlen sich weiten; ein kühles Prickeln schlich um die Oberlippe. Er sagte nur »ja«, fiel ihm zu Füßen. In seiner Schreibstube erwog er, ob er abdanken solle; seine Unruhe steigerte sich zur Verzweiflung. Frey kam. Er lief gegen ihn, konnte nichts sagen; alles, was er begehre, wolle er erfüllen; warum er keine Zeile, keinen Ring vom Kaiser mitgebracht hätte.
    Als gegen Abend die Rollknechte in dem Amalienhof der Burg die leinenverpackten Geräte, kleinen Kisten auf ihren Wagen gehoben hatten, sich in Bewegung setzten unter Begleitung starker, als Knechte verkleideter Hatschiere, hatte Gurland sich im Danksagen Verzeihungbitten gegen Frey gesättigt.
    Der geschwollene Lord schmetterte die Türe seiner Kammer zu; Rusdorf mußte ihm tragen helfen; vor dem Bett des melancholischen Pawel stolzierte händereibend der Lord, zwei Kerzen brannten auf dem Tisch; Faulbett Fensterbank Gesims Parkett bestellt mit kaiserlichen Gaben; auf dem kleinen Stollenschränkchen, dem buntgemusterten, mit gewundenen hohen Beinen, eine breite schwere gelbblinkende Schale, eine goldene Waschschüssel.
    »So viel sind wir wert, die Herren! Herr von Meggau, Herr von Trautmannsdorf machen saure Gesichter, werfen mit großen dicken Worten. Der Kaiser schickt Geschenke!«
    Pawel: »Der Kaiser mag nicht eins sein mit seinem Hofe.«
    »Der Kaiser ruft mich zu einer Audienz.«
    Rusdorf sondierte, ob er zur Audienz wolle.
    »Freilich, ich werde ihn anhören. Dann um ein Geschenk bitten für Herrn Rusdorf. He.«
    »Bitte der Herr um nichts. Wenn ich rate, gehe der Herr lieber nicht hin.«
    »Das wäre.«
    »Der Herr glaube mir. Ferdinand hielt Euch für einen käuflichen Schindhund. Den verruchten bestialischen Sinn wird der Herr bald erkennen. Ist kein Friede zwischen Habsburg und unsern evangelischen Häusern.«
    »Neidet mir der Herr meine Lorbeeren. Will der Herr, begleit’ Er mich, sei Er mein Diener.«
    »Die Zeiten sind vorbei.«
    Digby zynisch lachend: »Ich werde achten, wann der Herr seinen Degen trägt. Man muß sich ja vor ihm fürchten.«

    DER HABSBURGER ritt. Digby zu Fuß wegen seines Hüftwehs.
    Kühler Buchenwald bei Wolkersdorf, warmer böiger Maiennachmittag. Aufgescheuchte Haselhühner Marder, aus Sumpfwiesen der Lichtungen grelles Gequak der Frösche. Der Kaiser leicht gekleidet, weißes Wams geblümt mit Anemonen, bauschige Ärmel, Schlitze mit goldenen Borten; am einfachen Ledergurt quer über die Brust das Wehrgehenk; die

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