Wallenstein (German Edition)
»Ja, warum lassen das die erlauchten Herren mir, gerade mir sagen? Sie haben ja den Grafen Tilly: so mag man es ihm doch befehlen; auf die Minute wird es geschehen. Wie sind die Herren hilflos!« Zähnebeißend, halbtoll wiederholte, quetschte der andere an seinen Sätzen; der General blieb im schallenden Lachen, bat den Residenten um Verzeihung für seine Heiterkeit; wenn man wolle, werde er es dem Tilly auftragen. Bis der Bayer sich, komme was wolle, zu dem Geständnis hinreißen ließ, auf eben die kaiserlichen Rüstungen sei es abgesehen, weil man sie für überflüssig hielte. »Nicht überflüssig. Sagt nur deutlich, lieber Herr Doktor, gefährlich. Gefährlich für Euch, Ihr werdet nie finden, daß ich ein zugebundenes Maul habe; und Ihr seid ja auch reichlich offenherzig. Euer Herr, der Kurfürst in Bayern, wünscht den Kaiser nicht im Reich. Ich kann es der bayrischen Durchlaucht nachfühlen, aber die bayrische Durchlaucht kann den Kaiser nicht hindern, andere Wünsche zu haben.«
»Die Kurfürsten haben dem Kaiser geschworen. Aber der Kaiser hat auch dem Reich geschworen.«
»Woraus sich nicht der Schluß ziehen läßt, lieber Herr Doktor, daß der Kaiser eine Holzpuppe ist. Ich kenn’ Euch gut, Herr Leuker, hörte, daß Ihr sonst ein kluger Mann seid. Ich rechne es Euch darum nicht an, daß Ihr heute kein Glück mit Argumenten habt. Fahrt nur wieder heim. Berichtet so: ich hätte selbst gesagt, Ihr hättet Euch tapfer geführt.«
Mit einer Handbewegung lud er den kauenden Mann an den ärmlichen Kieferntisch im Zimmer, auf dem Messingbecher um einen Weinkrug standen. Als der noch nicht gefaßte Doktor, ohne sich zu drehen, stumm Bewegungen mit den blassen Lippen machte, lachte Wallenstein, der schon auf dem Schemel saß, so daß ihm die Tränen die Backen herunterliefen: »Was wollt Ihr nur, Herr Leuker? Ihr habt ja alles gut gemacht! Ihr habt das Examen bestanden. Merkt Euch zum Bericht nach Hause das Wort Bildsäule, statua auf lateinisch. In solchem Zustand kommen Kaiser nur nach ihrem Tode vor.«
VIERZEHN REGIMENTER zogen mit Wallenstein aus Böhmen. Es ging auf den Hauptsammelplatz Neisse. Die Beruhigung der katholischen Kurfürsten hatte er dem Wiener Hofe überlassen. Seine Leibgarde, zweihundert ausgewählt starke und geschickte Knechte aus allen Nationen, eisenknarrend vom Kopf zu den Füßen, auf gepanzerten Pferden, Musketen Lanzen Spieße Beile führend, umschloß seine Sänfte, ritt ihm voraus, folgte auf den wärmebrütenden menschenleeren Chausseen. Meilenweit wich das Volk aus. Er stieß durch ein wüstes Böhmen auf Schlesien zu. An der Spitze der Regimenter fuhr der Herzog in einem puschelwedelnden sechsspännigen Wagen; achtzehn Rüstwagen mit roten Juchten ihm voraus, zwölf zweispännige Kaleschen mit dem Stab; hinter ihm seine prunkende Sänfte, auf Pferden bunte unbewaffnete Pagen und Trabanten, Leibpferde; am Ende offene Feldgeschütze mit Artilleristen und Munitionswagen.
Gitschin Nachod Glatz wurden passiert. Durch Deutschland, das schwang, sich unruhig bewegte und zuckte, donnerten neue Regimenter herüber aus Schwaben Franken Mähren; vom Rhein Dragoner mit Piken, fliegende Musketiere, leichte polnische Reiter, die Freitag und Samstag keine Eier und Butter aßen; Kroaten mit Arkebusen, Husaren, die Panzerstecher trugen, die eingemauerten Eisenmenschen, die Kürisser, niegesehene Massen zu unbekannten Zwecken. In hellen Haufen eine graue Gesellschaft hinter schweren unförmigen Wagen, Schanzbauer Büchsenmeister Schneller Fuhrknechte Konstabler Schlangenschützen Pulverhüter; unter ihren leinenbezogenen Gefährten Sturmtöpfe Pechkränze Sturmfässer Mordschläge Brandkugeln, Fuder von Salpeter Schwefel Kohle, hundertpfündige Mörser, offen durch die sonnigen blumigen erschreckenden Landschaften gefahren, mäulersperrend wie Leichen urzeitlicher Untiere Kartaunen Hagelgeschütze Totenorgeln Haubitzen. Inzwischen saßen die Kinder vor den Kellertüren, spielten, kreischten, lachten, drehten ihr Rosenkränzchen, ritten auf Stecken; die Frauen wiegten ihre Säuglinge, sangen, tändelten mit Ohrringen und Ketten; die Bauern vergrößerten ihre Scheunen, dengelten Sensen, prüften Dreschflegel, die Bürger schrieben sich Briefe, kauften, lasen Kalender, malten die Tafeln ihrer Vorfahren auf, dachten an Adelsdiplome, die Kranken betrauerten ihr elendes Schicksal, grollten, daß sie bald sterben mußten; aus den Fenstern hingen Teppiche vom letzten Festtag.
Gleichmäßig
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