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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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niemand vermissen würde.
Zum Glück gibt es Videothekare wie Hartmut Schuld. Und Walpar hat einen funktionierenden DVD-Abspieler zu Hause. Jetzt muss Kerbil nur noch für das Abendprogramm sorgen.
Nachdem er die Kaufregale durchstöbert hat, stellt er fest, dass er nicht mehr als dreißig DVD-Boxen gleichzeitig tragen kann. Er sieht sich nach einem Einkaufswagen um, findet aber nur Erwachsene mit misstrauischen Blicken.
»Bist du sicher?«, fragt Hartmut Schuld, als Kerbil drei Stapel auf dem Verkaufstresen errichtet und mit den Worten »Ich leg die nur kurz hier ab und hole den Rest« wieder verschwinden will.
»Wieso? Sind Filme ohne Jugendfreigabe dabei?«, fragt Kerbil frech.
»Ich weiß nicht«, sagt der Videothekar und verzieht den Mund. »Hängt ein Schild mit der Aufschrift Räumungsverkauf im Schaufenster?«
Panisch fährt Kerbil herum. Räumungsverkauf! Dieses Wort riecht nach Tod und Verderben. »Nein«, sagt er erleichtert, »hängt da nicht.«
Schuld nickt und fixiert den Jungen mit wässrigen, grauen Augen. »Ich weiß.« Er seufzt, als Kerbil ihn einfach stehen lässt und damit fortfährt, Regale leerzuräumen.
»Was willst du mit Local Hero ? Der ist langweilig.« Schuld geht die Stapel durch und schüttelt immer wieder den Kopf.
»Die Filmmusik ist toll«, ruft Kerbil, der aufmerksam das Fantasy-Regal durchstöbert. »Sie ist von Mark Knopfler.«
»Nie gehört«, brummt Schuld. »Übrigens habe ich keine Plastiktüten mehr. Vielleicht möchtest du dich doch auf eine kleinere Anzahl Filme beschränken. Das hätte den Vorteil, dass andere Kunden auch noch was abkriegen.«
Kerbil schiebt Der Hobbit Extended Edition wieder ins Regal und trottet zur Theke. »Na gut. Dann nehme ich erst mal nur …« Er beginnt, die Filme hin und her zu sortieren. Schuld schüttelt den Kopf.
»Auf jeden Fall den hier«, sagt Kerbil und winkt mit einer Schwarzweiß-DVD namens »Tote schlafen fest«.
In diesem Moment schaltet sich der Fernseher auf der Theke von selbst an, weil er darauf programmiert ist, das bei wichtigen Nachrichten zu tun.
Sekunden später starrt Hartmut Schuld gebannt auf den Bildschirm, auf dem ein schwach beleuchtetes Objekt am leeren Himmel zu sehen ist.
»Kann ich jetzt endlich bezahlen?«, fragt Kerbil ungeduldig.
»Schau dir das an«, haucht Hartmut, »das ist besser als jeder Film.«
»Glaub ich nicht«, schnappt Kerbil. »Das sind doch bloß Nachrichten.«
»Aber siehst du denn nicht …?«
»Was soll das denn sein?« Uninteressiert kommt Kerbil näher.
»Nachdem zunächst Hobbyastronomen Alarm geschlagen haben …«, plappert der Fernseher.
»Fällt ein Asteroid auf uns drauf?« Kerbil reißt die Augen auf.
Der Videothekar schüttelt den Kopf und streckt langsam die Hand aus.
»Erde«, flüstert er.
In diesem Moment verlässt das Objekt auf dem Bildschirm den Schatten des Planeten. Das Sonnenlicht enthüllt seine Form.
»Das ist ja …« Die Stimme des alten Videothekars bricht.
Kerbils Blick wandert vom Bildschirm zur erhobenen Hand des alten Mannes. Und dann zu seiner eigenen.
Sie ist vollständig.

»Nera!«, entfährt es Walpar. Er richtet sich auf und kriegt den Mund nicht mehr zu. Weil die Zelle bedenklich schwankt, hält Walpar sich krampfhaft an der Kante seiner Liege fest.
»Kaum bist du Single, hast du Ärger.« Neras Augen blitzen. Schwarze Riesenpfefferkörner unter geometrischen Brauen; perfekte Züge mit Kirschlippen ohne jene Merkmale, die ab dem 30. Geburtstag Lebenserfahrung in Gesichter zeichnen. Walpar weiß von der minuszwanzigjährigen Verjüngungskur, die Nera sich nur leisten konnte, weil sie auf dubiosen Wegen zu größeren Mengen Geld gekommen ist. Wenn Walpar sich für Brüste interessieren würde, wäre er jetzt höchst beeindruckt, denn sie schweben direkt vor ihm.
»Ich …«, bringt Walpar hervor, wird aber unterbrochen.
»Wir müssen hier weg«, sagt Nera und fängt an, Walpars Habseligkeiten aus der winzigen Privatklappe der Zelle in eine Reisetasche zu stopfen.
»Ich kann nicht«, protestiert Walpar. »Ich habe schreckliche Schmerzen!«
Er stellt fest, dass er die wirklich hat, und sinkt mit einem Stöhnen zurück in seine Kissen.
»Nicht überzeugend«, sagt Nera. »Los, steh auf.«
»Ich …« Walpar hält die Decke fest, die Nera ihm wegziehen will. »Ich habe nichts an«, behauptet er, obwohl das nicht ganz stimmt.
»Mir doch egal«, blafft Nera und piekt Walpar leicht in die angeschossene Schulter.
Die erwartete Reaktion tritt ein: Walpar kreischt und

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