Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderer im Universum

Wanderer im Universum

Titel: Wanderer im Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
Vom Netzwerk:
Dinge weiterentwickeln würden – und dabei den Wanderer beobachten, der sich langsam über dem Meer dem Horizont näherte, während der Mond wieder einmal hinter ihm verschwunden war.
    »Aber wir müssen trotzdem von hier fort – in drei oder vier Stunden«, sagte Doc plötzlich, als habe er eben gemerkt, daß die anderen davon träumten, vorläufig hier zu bleiben. »Wegen der Flut«, fügte er noch hinzu.
    Als Hunter ihm einen warnenden Blick zuwarf, erklärte Doc hastig: »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – wir sind im Augenblick keineswegs in Gefahr, ganz im Gegenteil. Das Flutintervall beträgt hier etwa zehn Stunden, was bedeutet, daß die Ebbe ungefähr vier Stunden nach dem Zeitpunkt einsetzt, an dem der Mond am höchsten steht. In anderen Worten dauert es noch eine Stunde, bis die Ebbe ihren tiefsten Stand erreicht hat. Folglich haben wir reichlich Zeit für eine längere Ruhepause, die ich persönlich auszunützen gedenke.«
    »Aber was wollten Sie von der Flut sagen, Doc?« fragte Wojtowicz.
    Hunter runzelte die Stirn und schüttelte leicht den Kopf.
    »Nein, Ross, sprechen wir lieber jetzt davon solange wir uns ausruhen können«, sagte Doc. Er wandte sich an Wojtowicz: »Sie wissen natürlich, daß die Masse des Mondes für Ebbe und Flut verantwortlich ist? Schön, aber jetzt steht der Wanderer dort oben. Er befindet sich ungefähr an der gleichen Stelle, deshalb können wir annehmen, daß Ebbe und Flut sich etwa wie gewohnt abwechseln werden.«
    »Prima«, meinte Wojtowicz erleichtert. »Vorher hätten Sie mir beinahe Angst eingejagt.«
    Doc seufzte leise und fuhr fort: »Wenn wir berücksichtigen, wie schnell der Wanderer den Mond eingefangen hat, müssen wir annehmen, daß seine Masse etwa der der Erde entspricht. In anderen Worten – seine Masse beträgt vermutlich das Achtzigfache der Masse des Mondes.«
    Dann herrschte lange betroffenes Schweigen. Das Wort ›achtzigfach‹ schien wie ein dunkler Felsen über der Versammlung zu schweben und wurde von Sekunde zu Sekunde riesiger und drohender. Nur der Ladestock und seine beiden Frauen machten sich anscheinend keine Sorgen. Hunter runzelte nachdenklich die Stirn und beobachtete die Reaktionen der anderen. Rama Joan zupfte an der Decke, die sie über ihre schlafende Tochter gebreitet hatte, und sah dann lächelnd zu Doc hinüber. Mrs. Hixon hob die Hände, als wolle sie sagen: »Aber das ist ...« Ihr Mann legte ihr den Arm um die Schultern und nickte Doc ernst zu. Paul und Margo starrten besorgt zu dem Wanderer hinauf. Der kleine Mann verschränkte die Arme und sah Doc erwartungsvoll an.
    Doc erwiderte die Blicke der anderen mit einem bedauernden Schulterzucken und einem aufmunternden Lächeln.
    Der junge Harry McHeath sprach schließlich aus, was alle dachten. »Sie glauben also, Mister Brecht, daß Ebbe und Flut zwar in ungefähr gleichen Zeitabständen auftreten werden ... aber achtzigmal stärker? « fragte er ungläubig.
    »Das hat er nicht gesagt!« warf Hunter rasch ein. »Rudi, Sie haben nicht berücksichtigt, daß Ebbe und Flut nur langsam auf irgendwelche Veränderungen reagieren. Wir haben mindestens noch einen Tag Zeit. Außerdem sind die Gezeiten ein Resonanzphänomen – es dürfte also ziemlich lange dauern, bis die Schwingungen größere Amplituden annehmen.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, gab Doc sofort zu. »Ich nehme sogar an, daß der Faktor achtzig durch Rückstau und andere Erscheinungen erheblich gemildert wird. Aber der zweifarbige Planet existiert trotzdem und besitzt eine gewisse Masse, die nicht dadurch geringer wird, daß wir hier unten darüber diskutieren. Sie alle haben mit eigenen Augen gesehen, wie er den Mond zugerichtet hat. Ob es nun sieben Stunden oder sieben Tage dauert – die große Flut kommt jedenfalls, und wenn sie kommt, möchte ich ein paar größere Hügel unter mir haben. Deshalb habe ich mich nach der Bergstraße bei Santa Monica erkundigt«, erklärte er den Hixons. Als die anderen alle gleichzeitig zu sprechen begannen, fuhr er mit erhobener Stimme fort: »Wer eine Anstrengung unternimmt, sammelt zunächst seine Kräfte – und genau das habe ich jetzt vor.«
    Er streckte sich auf vier Stühlen aus, legte den Arm über die Augen und begann übertrieben laut zu schnarchen.

    Don Merriam, der jetzt zum zweitenmal um den Wanderer kreiste, dachte plötzlich an die ungeheure Bedrohung der Erde durch die bloße Existenz dieses geheimnisvollen neuen Planeten. Vielleicht kam es zu Erdbeben

Weitere Kostenlose Bücher