Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wandernde Welten

Titel: Wandernde Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Holland
Vom Netzwerk:
teeriges Stück Pflaster wölbte sich aus der Mitte des Fahrweges. Die Straße führte direkt auf die Ruine des Doms zu und war auf beiden Seiten von Streifen gegossenen Gesteins eingefaßt. Sie waren ein wenig erhöht, und Paula trat hinauf.
    »Warum ist dieser Teil höher als der andere?«
    Tony ging neben ihr auf dem tiefer gelegenen Teil. Sie blickte auf seinen zurückgehenden Haarwuchs. Vielleicht würde sie ihm einmal einen Eichenlaubkranz auf die Kopfhaut malen, wenn er schlief.
    »Sie sind mit ihren Wagen auf diesem Teil der Straße gefahren«, erklärte er. »Die Fußgänger sind auf dem erhöhten Rand-streifen gegangen, auf dem du jetzt bist. Damit sie aus dem Weg waren, verstehst du.«
    »Sie sind mit Wagen auf der Erde gefahren?« Kein Wunder, daß ihre Straßen so breit waren. »Wurden sie von Pferden gezogen?«
    »Etwas moderner waren sie damals schon.«
    Voraus veränderte sich der Einfall des Lichts. Sie erreichten die Mauer des Doms. Die zerklüftete Ruine erhob sich mehrere hundert Fuß hoch und fing die Lichtstrahlen wie Glas ein. Paula legte die Hand über die Augen. »Es ist Glas.« Das hereinfallende Licht wirkte grünlich wie Laubwerk. »Es ist doch blöde, ein Gebäude aus Glas zu machen.«
    Tony lachte. Er nahm sie um die Hüften und hob sie zu sich herunter auf die Straße. »Du bist wirklich ein hoffnungsloser Materialist.«
    »Haben sie hier gewohnt? In diesen Glashäusern?«
    »Nein. Gewohnt haben sie anderswo. Sie kamen nur tagsüber hierher.«
    »Stimmt das wirklich?«
    »Ich weiß, es klingt komisch, aber es ist die Wahrheit.«
    Sie blickte die Glasfassade hinauf. Vielleicht war Glas in jenen Tagen gebräuchlicher gewesen als heute, überlegte sie. Die Flächen waren von verschmiertem Schmutz bedeckt, von Spuren trockenen Staubes, wie Mementos jener Zeit, als diese Ruinen unter Wasser gewesen waren. »Atlantis.«
    »Das liegt ganz woanders. In der Ägäis.«
    Sie gingen zum Hafen. Das gedeckte Boot lag an der Pier im brackigen Wasser. Paula ging zwischen den Sitzreihen entlang zum Heck. Tony setzte sich neben sie.

    »Der Arzt hat gesagt, er würde die Operation nur vornehmen, wenn du ein Schriftstück unterzeichnest, in dem du bestätigst zu wissen, daß ich dich schwanger machen kann.«
    »Was?«
    »Ich weiß, es ist lächerlich, aber er ist ein alter Bastard. Er sagt, er hat keine Lust mehr, Männer zu naturalisieren und dann sechs Monate später Frauen den Fötus abzusaugen.«
    Paula blickte über die langen Sitzreihen des Bootes. Der lange Hebel, der neben dem Motor aus dem Boden ragte, war wahrscheinlich die Bremse. »Das geht ihn nichts an.« Sie hatte nicht gewußt, daß es so kompliziert war, ein Kind zu bekommen. Das Boot schaukelte. Mehrere Menschen stiegen ein.
    »Gehen wir heute zusammen zum Dinner?« fragte sie.
    »Ich muß arbeiten«, sagte Tony. »Ich war schließlich den ganzen Tag über mit dir zusammen.«
    Er schrieb gerade einen metaphysischen Roman, von dem sie schon drei Entwürfe gelesen hatte. Er war ein sehr einfallsreicher Autor, ohne dabei besonders kreativ zu sein, was seine Bücher leicht lesbar machte. Er erklärte ihr, wie er das dritte Kapitel abändern wollte, in dem der Held des Buches seine Frau ermordete.
    Sie fragte sich, ob er die Forderung des Arztes nur erfunden hatte. Vielleicht wollte er gar kein Kind. Die Malerin schleppte ihre Staffelei durch die enge Bootstür. Hinter ihr erschien der Bootsmann und zog die Gangway ein. Dann trat er neben Paula an die Ruderpinne.
    »Halt dich fest. Es schaukelt vielleicht, wenn wir durch die Schleuse kommen.«
    Das Deck vibrierte unter Paulas Füßen. Sie hörte das Dröhnen des Motors. Sie blickte aus dem Fenster. Die gummibelegten Wände der Schleuse schlossen sich um das Boot und glitten feucht am Fenster vorbei. Die Lichter wurden eingeschaltet. Das Boot glitt rasch aufwärts. Dreck trieb am Fenster vorbei. So nahe bei New York war die See noch immer verschmutzt. Früher soll hier einmal eine Mülldeponie gewesen sein, und selbst nach mehreren hundert Jahren trieb noch immer Dreck umher. Tony unterhielt sich mit dem Bootsmann über Schiffsformen. Das Wasser vor dem Bootsfenster wurde allmählich heller. Paula preßte ihre Wange gegen das feuchte Plastik der Scheibe.
    Das Boot kam an die Oberfläche. Sie flogen über das aufgewühlte offene Wasser. Paula lehnte sich zurück. Die anderen Passagiere unterhielten sich leise. Tony starrte vor sich hin und fuhr mit der Zunge über seinen Schnurrbart. Vor ihnen

Weitere Kostenlose Bücher