Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Füße auf den Teppich. Kaum aber hatte der Tanz begonnen, als plötzlich eine unglaublich vornehme Erscheinung den Vorhang lüftete und langsamen Schrittes in den Saal eintrat. Eine hohe geisterhafte Frauengestalt mit den edlen Zügen einer Tochter Ramses II., in eng anliegendem schwarzen Samtkleide, dessen Ränder mit schmalen goldenen Borden besetzt waren, die Brust mit breitem Halsbande aus goldenen Münzen bedeckt, auf dem Kopf eine Haube mit dicht aneinander gereihten Goldstücken, so trat das olivenblasse Weib mit ihrem würdevollen Gange und den sittig niedergeschlagenen Augen, wie ein zum Leben erwecktes Bild aus dem Rahmen einer bunten Grabeswand. Der Eindruck des unerwarteten Anblicks war so groß, daß die Zuschauer in das höchste Erstaunen ausbrachen, denn das leibhaftige Gespenst einer altägyptischen Königstochter wankte in langsamen Schritten ihnen immer näher. Der Sohn des Konsuls kannte sie genauer und erzählte, daß ihr Vater ein Türke, ihre Mutter eine Araberin gewesen sei und daß die Leute sie ›Aelfieh‹ nannten, weil man bei ihrem Anblick in das Wort ›Aelf marschallah‹ ausbrach, das heißt ›Ei, der Tausend‹. Die Aufforderung, anderen Tages dem Major von Garnier zu einem Bilde zu sitzen, wies sie zurück, weil ihr einziges Kind schwer erkrankt sei.«
16. Januar. Bis Farshut.
17. Januar. Bis Kenneh und Denderah. »Denderah (griechisch Tentyra) ist berühmt durch seinen Tempel, in welchem, von den Tagen des Königs Chufu-Cheops an, die Tentyriten der ägyptischen Aphrodite, unter ihrem Namen Hathor, göttliche Verehrung bezeugten und sie anriefen als ›die Große im Himmel, die Mächtige auf Erden und die Gefürchtete in der Tiefe‹. Von dem ihr geheiligten Tiere, der Hathorkuh, wissen noch heute die Anwohner zu erzählen, denn der Tempel von Denderah sei auf dem Rücken einer Kuh gebaut und in nächtiger Stunde zeige sich bisweilen die langgehörnte Tiergestalt vor dem Tempel. Der Prinz durchwanderte die Säle, Hallen, Krypten und Gänge des Tempels bis zum Dache hinauf und gewann zum ersten Mal, durch Anschauung, die richtige Vorstellung über die Anlage eines altägyptischen Tempels.«
18. Januar. Früher Aufbruch von Kenneh. Um vier Uhr nachmittags vor Anker in Theben. »Theben und seine Glanzzeit ist wie vom Boden der Erde weggefegt, und nur die riesigen Tempelbauten, welche zerstreut über einen Umfang von etwa drei deutschen Meilen liegen, bezeichnen gegenwärtig die Mittelpunkte der einzelnen Quartiere. Man unterscheidet jetzt, als Hauptsache, Karnak und Luxor, letzteres etwas südlich von Karnak. Luxor hat zwei Hotels und etwas vom Ansehen eines europäischen Badeortes. Sein Glanzpunkt ist ein weltberühmter Ammontempel. Wie die Schwalben haben die modernen Thebaner den schwarzen Nilschlamm an die festen steinernen Wände des Heiligtums geklebt und sich Wohnräume geschaffen, denen die Bildwerke und hieroglyphischen Inschriften der Vorzeit den sonderbarsten dekorativen Schmuck verleihen.«
Überhaupt: »Nilschlamm und Schmutz sind das Glück des Fellachen, der diese Hütten in den Tempeln und Nekropolen von Theben bewohnt.«
Und nach diesen einleitenden Worten fährt Brugsch fort:
»Für die Nachkommen der alten Ägypter, wie immer auch Sprache und Glaube sie schließlich geschieden haben mag, ist in unserer vorgeschrittenen Epoche (in der die Seife eine so bedeutungsvolle Rolle spielt) nur der Schmutz als die allgemeine Signatur kleben geblieben. Neben ihren Fellachengenossen im oberen und unteren Niltal erscheinen die Thebaner zur Freude der fahrenden Künstler als die wandelnden Träger jener gepriesenen Patina, die der Antike einen so hohen Wert verschafft und hier in Theben – diesem verkörperten Begriff des Altertums – den Bewohnern einen ganz eigentümlichen, beinahe erblichen Reiz verleiht. ›Wenn Ihr feinen Franken (so denken sie) diese nie gewaschenen und nie gereinigten Denkmäler unserer Vorfahren mit so viel Wohlgefallen betrachtet, warum sollen wir, die Kinder der Erbauer jener Werke, anders aussehen, warum uns mit aller Gewalt in eine falsche Richtung hineindrängen?‹ In Dorf und Stadt, wo immer sich die Wege öffnen und Kamele, Pferde, Esel die Straße durchziehen, ist es die vornehmste Aufgabe der Töchter des Landes, mit geschäftiger Emsigkeit die ›Gilleh‹ (Mistfladen) zu sammeln und in gefüllten Körben auf dem Kopfe nach Hause zu tragen, wo nun, nach der Analogie von Torf, das Formen und Trocknen in der Sonne beginnt. Die
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