Wanderungen durch die Mark Brandenburg
dieser Stätten. In der Tat, das Pfarrhaus ist nach dieser Seite hin dem Herrenhause weit überlegen, dessen Ansehen hinschwindet, seitdem der alten Familien immer weniger und der zu »Gutsbesitzern« emporsteigenden ländlichen und städtischen Parvenus immer mehr werden. Und noch ein anderes kommt hinzu. Der Adel, soweit er ums Dasein ringt, vermag kein Beispiel mehr zu geben oder wenigstens kein gutes, soweit er aber im Vollbesitz seines alten Könnens verblieben ist, entzieht er sich zu sehr erheblichem Teile der Dorfschaft und tritt aus dem engeren Zirkel in den weiter gezogenen des staatlichen Lebens ein.
Das Pfarrhaus aber bleibt daheim, wartet seines Gartens und okuliert den Kulturzweig auf den immer noch wilden Stamm.
Daß ich hier ein Ideal schildere, weiß ich. Aber es verwirklicht sich jezuweilen und an vielen hundert Stellen wird ihm wenigstens nachgestrebt.
Protzen
Im Westen schwimmt ein falber Strich,
Der Abendstern entzündet sich,
Schwer haucht der Dunst vom nahen Moore;
Schlaftrunkne Schwäne streifen sacht
An Wasserbinsen und am Rohre.
*
»So hab' ich dieses Schloß erbaut,
Ihm mein Erworb'nes anvertraut,
Zu der Geschlechter Nutz und Walten;
Ein neuer Stamm sprießt aus dem alten,
Gott segne ihn, Gott mach' ihn groß.«
Annette Droste-Hülshoff
Westlich, in unmittelbarer Nähe von Walchow, liegt Protzen, ein wohlhabendes Luch- und Torfdorf wie jenes. Es war immer, soweit die Nachrichten reichen, ein adliges Gut. Im vierzehnten und fünfzehnten und auch noch zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts saß hier eine Familie, die sich einfach nach ihrem Wohnorte nannte, also eine Familie von Protzen. Eine der drei Kirchenglocken (die größte) geht bis in jene Zeit zurück. Sie rührt noch aus der Zeit Albrecht Achills her, und trägt die Inschrift: Jhesu Criste rex gloriae veni cum pace samt der Jahreszahl 1476. Hat also schon zur katholischen Zeit die Gemeinde zur Kirche gerufen.
Den Protzens folgten um etwa 1522 die Gadows, die das Dorf hundertdreißig Jahre lang, von den ersten Tagen der Reformation an bis zum Schluß des Dreißigjährigen Krieges, in ihrem Besitz hatten. Auch aus diesem Abschnitt existieren keine Überlieferungen. Aber wie von den Protzens her die älteste Glocke, so datiert von den Gadows her der älteste Abendmahlskelch der Kirche. Er ist vergoldet, von schöner Form, und zeigt, außer den drei Fischen des Gadowschen Wappens, die Jahreszahl 1584. In der Mitte, um den Handgriff herum, stehen einzeln die Buchstaben
J-E-S-U-S.
Die Familie Quast in Protzen (1652–1752)
Um 1652 waren die Gadows, wahrscheinlich infolge des Kriegselendes, derart verschuldet, daß sie Protzen nicht mehr halten konnten. Sie verkauften es um die genannte Zeit an ihren Gutsnachbar Otto von Quast, der nach diesem Kaufe sein väterliches Gut Garz aufgab und nach Protzen hinüberzog.
Der Grund zu diesem Gutsankaufe seitens der Quaste lag in einem starken Familiengefühl. Albrecht Christoph von Quast, von dem das folgende Kapitel ausführlicher handeln wird, hatte, wie so viele von denen, die »lieber Hammer als Ambos« sein wollten, im Laufe des Dreißigjährigen Krieges ein Vermögen erworben und gedachte dasselbe zu Güterkäufen in Mähren zu verwenden. Seine von alter Zeit her im Ruppinschen ansässige Familie wünschte jedoch den einflußreichen Mann, der um 1652 der berühmteste Träger ihres Namens war, im Lande zu behalten, und so wurde Garz, das älteste Quastsche Familiengut, seitens seines Vetters Otto an den Generalfeldwachtmeister und Eroberer der Insel Fünen Albrecht Christoph von Quast abgetreten. Otto von Quast aber kaufte nunmehr, wie schon hervorgehoben, an Stelle des alten Familiengutes das nahegelegene Protzen und freute sich der Sonne, die von Garz aus herüberschien.
Die Quaste verblieben von jener Zeit an durch vier Generationen im Besitze von Protzen.
1682 mußte der alte Turm abgetragen und ein neuer errichtet werden. Der damalige Besitzer von Protzen war Alexander Ludolf, ältester Sohn des vorerwähnten Otto von Quast. Er unterzog sich der Renovierung und ließ gleichzeitig ein Schriftstück anfertigen, das in dem Turmknopf aufbewahrt wurde. Dieser Turmknopf saß hundertelf Jahre lang unter Wind und Wetter fest, und was die Welt bis zu jenem Zeitpunkt über Protzen und die hundertjährige Herrschaft der Protzener Quaste wußte, war gleich Null. Da kam 1793 ein Sturm, warf den Turmknopf in die Dorfstraße hinunter und brachte dadurch
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