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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sondern Johanniter von Kleist, und unter diesem Namen, der in dieser eigentümlichen Verwendung wohl nur einmal vorkommen dürfte, hat er vierundzwanzig Jahre lang seine Regierung von Protzen geführt.
    Unser »Johanniter-Kleist« war ein braver Mann, dem im Kirchenbuche die »Aufrechterhaltung guter Ordnung« eigens nachgerühmt wird. Er muß diesen Ruhm, aufs allgemeine hin angesehen, umso mehr verdient haben, als er im besonderen mit seinem Geistlichen, dem Prediger Friedrich Arnold Dietrich Sachse, in einer beständigen Fehde lebte.
    Über die damaligen Beziehungen zwischen Patron und Pfarrer ein kurzes Wort.
    Friedrich Arnold Dietrich Sachse, aus Soest in Westfalen gebürtig, war, wie es scheint, ein echter Westfälinger, groß, stark, ein tapferes Herz, aber auch rücksichtslos wie so oft die »tapferen Herzen«, besonders wenn sie von der roten Erde stammen. Vor allem war er ein Original.
    Die Bekanntschaft zwischen Kleist und Sachse machte sich bei Tisch im Herrenhause zu Lenzke, wo damals Baron de la Motte-Fouqué lebte, der Sohn des berühmten Generals und der Vater des berühmten Dichters. In diesem Hause fungierte Sachse als Präzeptor. Als das Dessert aufgetragen wurde, fragte Fouqué seinen Gast (von Kleist), »wie es mit der Pfarre in Protzen stehe, und ob er die Vakanz schon wieder besetzt habe?« – »Seit einer halben Stunde hab' ich sie besetzt«, antwortete dieser. – »Mit wem?« – »Mit dem hier sitzenden Kandidaten Sachse.« Es scheint danach, daß die bedeutende Persönlichkeit des letzteren ihres Eindrucks auf von Kleist nicht verfehlt hatte.
    Sachse übersiedelte nun, und mochte sich anfangs seinem Patron gegenüber, der ihn, in so schmeichelhafter Weise, in die Protzener Pfarre eingesetzt hatte, zu Dankbarkeit verpflichtet fühlen. Aber Dankbarkeit dauert nicht lang, am wenigsten, wenn die Interessen in Krieg geraten. Sachse glaubte sich benachteiligt, und so entstand ein Prozeß, der im Herrenhause so böses Blut machte, daß Kleist, als um eben diese Zeit ein Spritzenhaus errichtet werden mußte, dasselbe so aufführen ließ, daß der Bau wie ein Schirm zwischen ihm und der Pfarre stand. Er wollte die Pfarre nicht mehr sehen.
    Sachse überlebte seinen Patron um viele Jahre, stand im allgemeinen, wie fast immer imponierende Persönlichkeiten, auf gutem Fuß mit der Gemeinde, war ihr Orakel, ihr Ratgeber und Helfer, und vereinigte, neben einzelnen Schwächen, alle Tugenden des alten Rationalisten in sich. Das Protzener Kirchensiegel bewahrt sein Andenken. Die Inschrift desselben rührt allerpersönlichst von ihm her und lautet: »Natur und Vernunft.« Damit ist alles gesagt.
     
    Protzen von 1803–1826
     
    Der Johanniter-Kleist starb schon 1794. Wieder trat eine Witwenherrschaft ein, die wenigstens bis 1803, vielleicht auch noch um einige Jahre länger dauerte; dann ging das Gut, aber durch Kauf, an einen Neffen oder Vetter des Johanniter-Kleist über, und zwar an den damaligen Rittmeister oder Major Louis von Kleist, Sohn des sogenannten Magdeburg-Kleist, welcher letztere 1806 durch Übergabe dieser Festung an den Feind so viel Unheil für das Land und zugleich so viel Bitteres und Schmerzliches für die Familie heraufbeschwor. Ich verweile hierbei nicht, nur das mag gesagt sein, daß mir diejenigen nicht ganz unrecht zu haben scheinen, die der damaligen, militärischen Oberleitung – seitens deren ein kranker, beinahe achtzigjähriger Mann mit der Verteidigung der wichtigsten Festung des Landes betraut wurde – die größere Hälfte der Schuld zuzuschieben geneigt sind.
    Louis von Kleist litt in seinem Herzen schwer unter der Verschuldung des Vaters. Er selbst war eine hervorragend entschlossene Persönlichkeit, groß, schön, ein brillanter Reiter, und zeichnete sich während der Befreiungskriege bei den verschiedensten Gelegenheiten aus. Er blieb Soldat auch nach dem Feldzug, und traf immer nur besuchsweise in Protzen ein. 1815 war er Oberst 1831 stand er in Neiße, wahrscheinlich als Kommandeur einer Division. Bei seinem Hinscheiden war er Generalleutnant.
    Als Beweis für seine Energie erzählen sich die Protzener, daß er sein seitens der Ärzte schlecht kuriertes Bein (er hatte sich beim Sturz mit dem Pferde den Oberschenkel gebrochen) durch einen »Wunderdoktor« aus der Fehrbelliner Gegend neu brechen und dann wieder heilen ließ. Die Prozedur glückte vollkommen. Er hatte seitdem eine geringe Meinung von der Kunst der rite promovierten Doktoren, der er bei jeder

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