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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Jahre sanft entschlafenen Heldin dieser Erzählung, fortgesetzt wurden, bald in Ganzer und bald in Brunn. Damals aber, wo die liebe Alte noch als stille Zuschauerin auf dem Sofa saß, entweder ihren Walter Scott lesend oder mit mir oder einem andern Besuche plaudernd, wurde ›Pasterchen‹ als Vierter zur Whistpartie herbeigerufen, wenn nicht gar Charlotte, das Hausmädchen, als homme de bois fungieren mußte. So einfach waren die Zeiten und die Sitten des patriarchalischen Hauses!
    Kinder waren der Frau von Jürgaß nicht beschieden, aber teilnehmend war und blieb sie gegen jung und alt, und ihr lebendiger Sinn für Schönheit machte (bei ihrem gänzlichen Mangel derselben) einen beinah rührenden Eindruck. So kann ich das ›Ah!‹ nicht vergessen, mit dem sie, statt aller Begrüßung, vor der reizenden Erscheinung der jungen Henriette von Röder, Gemahlin des späteren Generals Karl von Röder, stehenblieb, als wir ihr diese zum Besuche zuführten. Jahrelang erzählte sie noch ›von den langen, blonden Ringellocken, die die schönen Züge des durchsichtig-klaren Gesichtes umrahmt hätten‹ und ermahnte mich immer wieder, daß die schöne Frau, ›für die Akademie‹, wie sie sagte, gemalt werden müsse.
    Während ihrer letzten Lebensjahre war ich leider aus der Gegend fern, und weiß über ihren Tod nur das eine, daß es ein sanfter war.
    Wie ihr Charakter aus einem Stück, so war ihr Leben aus einem Guß, und ihre lautere Seele wird dort oben in der ewigen Einheit des Wahren und Guten ihre Heimstätte gefunden haben.«
     
Gottberg
     
    Weiter rückt die Horde,
    Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt
    Der Ader, das zerstampfte Saatfeld liegen
    Und um des Jahres Ernte ist's getan.
    Schiller
     
    Eine Meile östlich von Ganzer liegt Gottberg. Seit Beginn des vorigen Jahrhunderts wechselten die Besitzer mannigfach, bis dahin aber, namentlich während der Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges, war es ein Quitzowsches Gut. Nur dieser Zeitabschnitt interessiert uns hier, denn ihm gehören die Gottberger Kirchenbücher an, die, durch die handschriftlichen Aufzeichnungen aus eben dieser Kriegsepoche, eine gewisse Zelebrität erlangt haben.
    Eh ich jedoch zu diesen Aufzeichnungen übergehe, schick ich ein Gesamtbild der damaligen Lage, soweit unsere Grafschaft in Betracht kommt, voraus. Es handelt sich dabei lediglich um den Abschnitt von 1630 bis 1638. Bis zu diesem Zeitraume waren die Drangsale verhältnismäßig gering, nach diesem Zeitraum aber scheint der Krieg unsere Gegenden verschont zu haben, weil alles ausgezogen war. Die Hälfte der Dörfer existierte nur noch dem Namen nach. Ich gebe nun die Daten in chronologischer Reihenfolge.
Die Grafschaft Ruppin von 1630–1638
     
    Im August des Jahres 1630 trafen die Schweden mit 2000 Mann Kavallerie und einem ansehnlichen Korps Infanterie in der Grafschaft ein und besetzten Neu-Ruppin. Im Dezember erschienen zwar die zum Kaiser haltenden Brandenburger vor der Stadt, waren aber viel zu ohnmächtig, um den Schweden den Besitz derselben streitig machen zu können. Endlich rückten die letzteren freiwillig ab.
    Kaum hatten die Schweden sich entfernt, als Tilly im Februar 1631 mit einer Armee aus dem Magdeburgischen eintraf. In jeder Stadt unserer Grafschaft, wo Tilly lag, erhielt der Kapitän monatlich 54 Tlr., der Leutnant 20, der Fahnenjunker 16 Tlr., damals sehr große Summen. In demselben Jahre brach auch die Pest aus. In Neu-Ruppin starben 1600, in Lindow 400 Menschen. Jeremias Ludwig, nachheriger Prediger zu Banzendorf, war damals auf der Ruppiner Schule und hat im genannten Jahre 800 an der Pest Gestorbene öffentlich zu Grabe gesungen. 1632 war das Land so unsicher, daß die Ruppiner, als sie ihren neuen Rektor von Pritzwalk abholen ließen, zuvor um eine Sauvegarde von kurfürstlichen Reutern baten.
    1634 kam das kursächsische Kavallerieregiment des Oberstleutnants von Rochow, auf kurfürstlichen Befehl, nach Ruppin in Garnison; im Dezember 1635 aber rückte Feldmarschall Baner mit seinen Schweden in Stadt und Grafschaft ein, nachdem er die Sachsen und Kaiserlichen bei Dömitz geschlagen hatte. Zwei Generalstäbe, die hohen Offiziers der ganzen Armee, das Zabeltitzsche Infanterieregiment und vier Brigaden zu Fuß, jede Brigade zwei Kompanien stark, erhielten ihre Quartiere in Neu-Ruppin. Die Not war bei dem zügellosen Verhalten der Soldaten so groß, daß es zuletzt an allem fehlte. Sogar Abendmahlswein war nicht mehr in Ruppin zu haben.

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