Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Erlaß es heischte, traf am 13. Januar die Leiche auf dem Neustädter Bahnhof ein und wurde von Anverwandten in Empfang genommen. Aber die Teilnahme beschränkte sich nicht auf einen engsten Kreis und man darf sagen, die halbe Grafschaft geleitete diesen Toten auf seinem letzten Gange. Der Weg war weit und noch viele Ortschaften zu passieren; von Turm zu Turm, bei Näherkommen des Zuges, gingen die Glocken, und Prediger und Schuljugend empfingen den Sarg und begleiteten ihn unter Gesang von Dorf zu Dorf. Er empfing die letzten Ehren für viele, die draußen in fremder Erde gebettet worden waren, und jeder beweinte seinen Toten in diesem Toten. Aber über alles bloß Selbstsüchtige hinaus, das unser Erbteil ist, rührte sein Geschick aufs herzlichste, denn auch von ihm hieß es: »und viele waren, die seiner Sitten Freundlichkeit erfahren«.
    Nun ruht er in der Familiengruft, nahe der Kirche.
    Wie viele Tafeln in den Dorfkirchen unseres Landes, die dem, der sie zu lesen versteht, eine gleiche Geschichte erzählen!
     
Lindow
     
    Wie seh ich, Klostersee, dich gern!
    Die alten Eichen stehn von fern,
    Und flüstern, nickend, mit den Wellen.
    *
     
    Und Gräberreihen auf und ab;
    Des Sommerabends süße Ruh
    Umschwebt die halbzerfallnen Grüfte.
     
    Lindow ist so reizend wie sein Name. Zwischen drei Seen wächst es auf und alte Linden nehmen es unter ihren Schatten.
    Seine Vorgeschichte versagt; alles Archivalische ward ein Raub der Flammen, und nur mir hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß das Kloster eher da war als die Stadt.
    Kloster Lindow wurde gegen Ende des zwölften oder Anfang des dreizehnten Jahrhunderts von dem Grafen Gebhardt von Ruppin und Lindow als ein Prämonstratenser-Nonnenkloster gegründet und empfing zu Ehren des Stammhauses der Familie (Lindow im Anhaltischen) seinen Namen.
    Die Stadt entstand aus Ansiedelungen; Handwerker und Ackersleute kamen, die den Schutz des Klosters suchten. Und diese Beziehungen blieben durch alle Jahrhunderte hin und überdauerten den Bestand des Klosters bis in unsere Tage hinein. 1754 wurde dem lutherischen Rektor sein Gehalt ansehnlich erhöhet, »weil er, zu seinen geringen Einkünften, nur einen freien Tisch auf dem Klosterhofe habe«, und noch 1748 schenkte die Konventualin Anna Juliane von der Kettenburg 100 Taler an die Stadt mit dem Bedingnis, »daß von den Zinsen dieser Summe das Schulgeld für arme Kinder bezahlt werde«. Welchen beiden Notizen wir, außer dem Fortbestande guter Beziehungen zwischen dem Kloster und dem städtischen Gemeinwesen, auch gleichzeitig entnehmen können, daß man finanziell in Stadt Lindow nicht auf Rosen gebettet war.
    Auch im Kloster war man es, aller Guttaten unerachtet, nicht mehr, seit im Jahre 1542 die Säkularisation und die Umwandlung der Klostergüter in kurfürstliche Domänen begonnen hatten. Zwanzig Jahre vorher, beim Erlöschen des gräflichen Hauses Ruppin, hatte das Kloster auf seiner Höhe gestanden. Es war damals eines der reichsten Stifte in der Mark und besaß außer der Stadt Lindow achtzehn Dörfer, zwanzig wüst liegende Feldmarken, neun Wassermühlen und alle die Seen, die teils innerhalb des Großen Menzer Forstes, teils am Rande desselben gelegen sind, darunter auch den Großen Stechlin. Die Gesamtbodenfläche, die damals dem Jungfrauenkloster zugehörte, darf man auf vier Quadratmeilen schätzen, reichte mithin, wie Bratring spöttisch schreibt »vollkommen aus, um fünfunddreißig Nonnen, einer Äbtissin und einem Propst ein einigermaßen gemächliches Leben zu sichern«. Man kann dies zugeben, aber es den Bevorzugten auch neidlos gönnen, und zwar um so lieber und leichter, als ihr Glück, von jenem Kulminationspunkt an gerechnet, nur noch von kürzester Dauer war. Es ging galoppierend zu Ende. Wohl war am heiligen Dreikönigstage 1530 den Lindowschen Nonnen ihr Besitz zu »ewigem Eigentum« aufs neu bestätigt worden, aber eh noch die Mitte des Jahrhunderts heran war, war die Säkularisation bereits ausgesprochen und das »ewige Eigentum verflogen«. Aus dem Kloster Lindow wurde nunmehr ein »Fräuleinstift zu Lindow«, und an die Stelle der Äbtissin und ihrer fünfunddreißig Nonnen trat eine Domina mit vier Fräuleins; das Gesamteinkommen aber sank allmählich auf tausend Taler und das Grundeigentum von vier Quadratmeilen auf -hundert Morgen.
    Unter den Dominas, soweit ihre Namen überhaupt noch auf uns gekommen sind, finden wir fast ausschließlich Adelsnamen aus Ruppin und Havelland:

Weitere Kostenlose Bücher