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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Schriftstellerwelt freilich nicht allzu schmeichelhafte Wort: »ein Schriftsteller kann jeder sein, der was zu sagen hat«, empfängt aus diesen Alexander Gentzschen Aufzeichnungen eine Bestätigung. Eine literarische Tat, so sagte ich. Aber damit ist die Sache noch keineswegs erschöpft, der eigentliche Wert dieser Urkunde liegt in ihrer lokalhistorischen Bedeutung. Es wird darin ein kleines märkisches Städtebild aus der Mitte des Jahrhunderts gegeben, ein Bild, wie's bis dahin nicht da war und auch auf lange hin mutmaßlich nicht wiederkommen wird. Eingelebtsein in alle Verhältnisse, scharfe Beobachtung und große Klugheit, vereinigten sich hier mit angeborner schriftstellerischer Begabung und ließen ein Werk entstehen, das nun für alle die, die dermaleinst märkische Kulturhistorie schreiben wollen, und ebenso für die märkische Novellistik der Zukunft unschätzbar erscheint. Ein Mikrokosmus, wie er nicht schöner gedacht werden kann.
    Der ursprüngliche Zweck der Urkunde, »wie Gentzrode ward und wuchs«, wird nie ganz aus dem Auge verloren, aber wie sein eignes vorzitiertes Schlußwort es auch ausspricht, überall finden wir Exkurse, denen sich Porträtierungen gesellen, eine ganze Galerie von kleinstädtischen Charakterköpfen.
    Und nun geb ich dem Verfasser selber das Wort, nur hier und da, beßren Verständnisses halber, eine kurze Bemerkung einfügend.
    »... Ich war nun also Mitglied des Magistrats-Collegiums und damit scheint mir der Zeitpunkt da, mich über diese Körperschaft oder doch wenigstens die Hervorragendsten darin auszusprechen. Eh' ich aber den Einzelnen mich zuwende, muß ich noch meiner Einführung als solcher gedenken. Ich meinerseits war im Frack erschienen und unterwarf mich eben der herkömmlichen Begrüßungsanrede von Seiten des Bürgermeisters, als ein älteres Mitglied den Sprechenden ohne Weiteres unterbrach, um ihn darauf aufmerksam zu machen« daß zwei Collegen ohne Frack erschienen seien, was gegen die Etiquette verstoße und zuvörderst gerügt werden müsse‹. Nun erst, nach erteilter Reprimande, konnte der Sprecher in seiner Anrede fortfahren.
    Wie sich denken läßt, war das Collegium, dem ich von da ab angehörte, von sehr verschiedener Zusammensetzung. Da waren zunächst der Rathszimmermeister Söhnel, Kürschnermeister Emden und Buchbindermeister Siecke, – gute, treffliche, wohlwollende Herren, der letztere, vielleicht weil er die Kirchenverwaltung hatte, etwas zu zaghaft. Dann war da der Partikulier Loof, eng überhaupt, am engsten aber in Geldsachen, zumal wenn es seinen eignen Beutel anging, in welchem Fall er sich, wo nützlich, noch conservativer erwies, als in der Politik. Ein Fünfter war Möbelfabrikant König. Er genoß des Vorzugs, die beste Rathsherrnfigur zu haben. Auch Kaufmann und Gutsbesitzer Windaus hätte gelten können, wenn er etwas besser auf dem Posten gewesen wäre. Windaus hatte das Einquartierungswesen, kam aber Mobilmachung oder dergleichen, so zog er sich auf sein Gut Herzberg zurück und überließ das Nöthige seinen Deputirten. Partikulier Menzel (ehemaliger Apotheker), der mit der Abschätzung zu thun hatte, war erheblich anfechtbarer. Man wußte nie, was eigentlich seine Meinung war und wäre die Grafschaft Ruppin noch katholisch gewesen, so hätte man glauben müssen, er sei in einem Jesuitenkloster erzogen. Posthalter Höpfner ersetzte, was er an Tüchtigkeit nicht besaß oder wenigstens nicht zeigen wollte, durch ausdrucksvolle Rede, die, je länger sie dauerte, desto schöner wurde. Vor allem bemerkenswerth indeß war der stellvertretende Bürgermeister und Auskultator a. D. Mollius, Sohn des im vorigen Jahrhundert in der Ruppiner Geschichte vielgenannten Rathsherrn Mollius. Vor diesem Auskultator a. D., wenn man ihm in der Dämmerung begegnete, konnte man sich fürchten, denn zu eingezogenem Kreuz und durchbohrendem Blick trug er das Gesicht bis an die Nasenspitze derartig in ein dickes Halstuch gewickelt, daß man ihn für Robespierre halten konnte. Bei näherer Bekanntschaft wurde man freilich gewahr, daß dies anscheinende Revolutions- und Schreckgespenst, trotz seiner sechzig Jahre, von sehr kümmerlicher Konstitution war und zu nicht viel mehr als einem zarten Knaben zusammenschrumpfte. So war Mollius. Das Lumen des ganzen Collegiums aber und zugleich die Geißel desselben war Mühlenbesitzer und Partikulier Gustav Schultz, den mein Vater immer nur ›Gustav von Gottes Gnaden‹ nannte. Sein Verstand und seine praktische

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