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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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der, um ›Verdunkelungen‹ vorzubeugen (es handelte sich um Nachweis etwaiger Schuld aus den Geschäftsbüchern), Gentz' Verhaftung beantragte. Verschiedene Verhöre vor dem Konkursrichter fanden statt, einem vom Verteidiger gestellten Antrage auf Freilassung wurde nicht Folge gegeben und erst das Landgericht hob in einer Sitzung die weitere Untersuchungshaft auf. Diese Haft hatte zwölf Wochen und fünf Tage gedauert.
    Inzwischen schritt man zur Formulierung der Anklage, die schließlich auf Betrug in fünfunddreißig Fällen und außerdem auf einfachen Bankrott lautete. Seit Beginn der Untersuchungshaft waren bis zur Fertigstellung der Anklage bzw. bis zur Einleitung des Prozesses fast drei Jahre vergangen. Vom 13. bis 15. Februar 1883 fanden die Verhandlungen statt. Einige fünfzig Zeugen waren geladen. Der Tatbestand des Betruges war darin erkannt worden, daß Gentz in der Zeit vom 1. Januar bis 4. Juni 1880, als angeblich schon eine Unterbilanz vorhanden war, noch zahlreiche Depositen angenommen habe. Nach Ausweis seiner Bücher stellte sich jedoch heraus, daß er am I. Januar genannten Jahres noch eine Überbilanz von 790000 Mark gehabt. Damit fiel die Betrugs-Anklage zu Boden, während seine schließliche Verurteilung zu vier Monaten Gefängnis auf einfachen Bankrott hin erfolgte, von welchem Strafmaß die lange Untersuchungshaft in Abrechnung kam. Ein Begnadigungsgesuch unterblieb und die Strafe wurde angetreten. Als er wieder frei war, war er ein gebrochener Mann, gebrochen an Leib und Seele. Trotzdem widerstand es ihm, in seiner Vaterstadt das Feld ohne weiteres zu räumen, bloß um unbequemen Begegnungen aus dem Wege zu gehen. Und so blieb er denn.
    Erst nach Ablauf mehrerer Jahre verließ er Ruppin und übersiedelte im März 1886 nach Stralsund, um daselbst ein Geschäft von dem geringen Vermögen seiner Frau zu kaufen. Es gelang auch damit. Aber sehr bald schon warf ihn Krankheit darnieder und von unaufhörlichen Schmerzen gepeinigt, sah er seine Kräfte hinschwinden; Abzehrung stellte sich ein und er fühlte die Nähe des Todes. Als er im Mai (?) 1888 die Ruppiner Zeitung in die Hand nahm und las, ›daß die erste Nachtigall im Tempelgarten (der ihm neben Gentzrode das Liebste war) geschlagen habe‹, wurd' er still und stiller. Er ließ seine Kinder, von denen keins daheim war, aus der Ferne kommen und ordnete an, daß er auf dem alten Ruppiner Kirchhof an der Seite seiner Eltern begraben sein wolle. Bald danach kam ein Blutsturz und am 3. Juli 1888 starb er. Nach seinem Willen wurde verfahren und seine Leiche nach Ruppin übergeführt. Da ruht er in Front der Familien-Begräbnisstätte, deren Mittelwand die Inschrift trägt:
     
    Ungunst und Wechsel der Zeiten zerstörte was wir geschaffen,
    Die wir im Leben gekämpft, ruhen im Tode hier aus.«
     
    *
     
    Es erübrigt uns noch ein Wort über Erscheinung und Charakter dieses eigenartigen Mannes.
    Alexander Gentz war ein echter Sohn seiner Ruppiner Heimat: lang aufgeschossen, mit anscheinend wenig Rückgrat und einem bequemen Schlenkergang, wie die Matrosen ihn haben. Und zu diesem sich wiegenden Matrosengange jene blassen, etwas vortretenden Amphibienaugen, denen man in dem alten Dossaner Gau, dem Lande zwischen Rhin und Dosse, so oft begegnet, Augen, die blöd und unbedeutend wirken und auf Mangel an Energie hinzudeuten scheinen, bis man an einem plötzlichen und beinahe unheimlichen Aufblitzen wahrnimmt, daß das alles nur Schein und Täuschung war und daß hinter dieser schlaffen Unbedeutendheit eine ganz ungewöhnliche Tatkraft lauert, Hang ins Weite, Lust am Hazardieren, Abenteuerlust. Alles in allem, auf den ersten Blick sehr unscheinbare, hinterher aber ungewöhnlich interessante Menschen. Und ein solcher interessanter Mensch war auch Alexander Gentz, was, so mein' ich, selbst von seinen Feinden, deren er ein gerüttelt Maß hatte, nicht bestritten werden wird. Seine reichen Gaben freilich, nachdem sie viel Gutes gestiftet, wurden ihm verhängnisvoll. Von Natur klug und auf Schulen hervorragend gut unterrichtet, stand ihm, von Beginn seiner Geschäftsführung an, ein für einen kleinstädtischen Ladenbesitzer ganz ungewöhnliches Maß von Bildung zur Seite, das sich durch seine Reisen in Westeuropa noch gesteigert und ihm ein etwas bedrückliches Gefühl der Überlegenheit gegeben hatte. Zu diesem Gefühl intellektueller Überlegenheit gesellte sich alsbald auch noch das Hochgefühl, innerhalb seines Kreises der reichste Mann zu sein, so

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