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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ist kein Roulette- und Equipagenbad, kein Bad des Rollstuhls und des galonierten Bedienten, am wenigsten ein Bad der fünfmal gewechselten Toilette. Der breite Stempel, den die echten und unechten Engländer seit fünfzig Jahren allen europäischen Badeörtern aufzudrücken wußten, hier fehlt er noch, hier ist der komplizierte »Breakfast-Tisch« noch ein kaum geahntes Geheimnis, hier wird noch gefrühstückt, hier sucht noch kein grüner und schwarzer Tee die alte Herrschaft des Morgenkaffee zu untergraben, hier herrscht noch die vaterländische Semmel und weiß nichts von Buttertoast und Muffin, des Luftbrotes (aërated bread) und anderer Neuerungen von jenseit des Kanals ganz zu geschweigen.
    Und einfach wie die Frühstücksfrage, so löst sich auch die Frage des Kostüms. Der Schal, der früher eine Mantille, oder die Mantille, die früher ein Schal war, der Hut mit der neuen »Rüsche«, der Handschuh, der dreimal durch die Brönnerprobe ging – hier haben sie noch Hausrecht, und das zwölf Jahr gediente Leihbibliothekenbuch, hier ruht es noch frei und offen auf dem Antimakassar-Stuhl, mit der ganzen Unbefangenheit eines guten Gewissens. Nichts von Hyperkultur, wenig von Komfort. Während überall sonst ein gewisser Kosmopolitismus die Eigenart jener Städte, die das zweifelhafte Glück haben »Badeörter« zu sein, abzuschwächen oder ganz zu verwischen wußte, ist Freienwalde eine märkische Stadt geblieben. Kein Wunder. Nicht der Welttourist, nur die Mark selber kehrt hier zum Besuch bei sich ein.
    Freienwalde, wie wir sahen, ist eine Bergstadt; kleine Bergstädte aber sind selten die Stätten einer glänzenden Architektur. Die Häuser, überall ein »bestes Plätzchen« suchend, schaffen mehr Gassen und Winkel als eigentliche Straßen, und das Beste, was wir von Freienwalde zu sagen wissen, ist, daß es von dem bedenklich-pittoresken Vorrechte derartiger Bergstädte keinen allzustarken Gebrauch macht. Die Budengasse, der seidene Beutel, der Köter- oder Rosmarinweg sind freilich Lokalitäten, die dem Klange ihres Namens so ziemlich gleichkommen, aber der Marktplatz mit seiner kahlen Geräumigkeit macht vieles wieder gut. Mehr als gut. Weite hier und Enge dort hätten sich gegenseitig aushelfen können.
    Die Schönheit der eigentlichen Stadt ist mäßig, ihr Reiz liegt draußen auf den Bergen. Diesen Bergen verdankt es alles, was es ist: von dort aus kommen seine Quellen und von dort aus gehen die Fernsichten ins Land hinein. Wer nicht kommt, um hier die Eisenquelle zu trinken, der kommt doch, um einen Blick in die »märkische Schweiz« zu tun. Und diesen Freienwalder Bergen, den Hütern, Wächtern und zum Teil Ernährern der Stadt, schreiten wir jetzt zu.
    Zunächst der Ruinenberg. Er erhebt sich unmittelbar im Rücken der Stadt und hat mit dem bekannten Potsdamer »Brauhausberge« das eine gemein, daß er, wie dieser, die älteste Aussichtsfirma und nach Ansicht vieler auch noch immer die bestfundierte repräsentiert. Er ist am leichtesten zu ersteigen. Das ist eins, was ihn empfiehlt. Bequeme Terrassen bilden den Weg, so daß man die Höhe plaudernd erreicht, als erstiege man die Treppen eines Renaissanceschlosses. Der Blick vom Ruinenberg aus hat nur in Front eine Bedeutung, wo man zunächst auf die malerisch in der Tiefe liegende Stadt, dann über die Türme und Dächer hinweg in die duftige Frische der Bruchlandschaft herniederblickt. Wie ein Bottich liegt diese da, durchströmt von drei Wasserarmen: der faulen, alten und neuen Oder, und eingedämmt von Bergen hüben und drüben, die, wie ebenso viele Dauben, die grüne Tiefe umstehen. Meilenweit nur Wiesen; keine Fruchtfelder, keine Dörfer, nichts als Heuschober dicht und zahllos, die, immer kleiner und grauer werdend, am Horizonte endlich zu einer weidenden Herde zusammenzuschrumpfen scheinen. Nur Wiesen, nur grüne Fläche; dazwischen einige Kropfweiden; mal auch ein Kahn, der über diesen oder jenen Arm der Oder hingleitet, dann und wann ein mit Heu beladenes Fuhrwerk oder ein Ziegeldach, dessen helles Rot wie ein Lichtpunkt auf dem Bilde steht. Der Anblick ist schön in seiner Art, und wessen Auge krank geworden in Licht und Staub und all dem Blendwerk großer Städte, der wird hier Genesung feiern und dies Grün begrüßen, wie ein Durstiger einen Quell begrüßt. Aber der Anblick, so erlabend er ist, erleidet doch Einbuße durch seine Monotonie. Erst weiter südwärts, nach Frankfurt zu, verändert das Bruch seinen Charakter, erweitert ihn

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