Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
keine Gelegenheit gegeben war, die ganze Fülle dieses Holzreichtums zu verkaufen oder wirtschaftlich zu verwerten – wurden zu mächtigen Haufen aufgeschichtet und endlich, nachdem sie völlig ausgetrocknet waren, angezündet und verbrannt. Aber das Austrocknen dieser Massen dauerte oft monatelang, und so kam es, daß dieselben eine willkommene Zufluchtsstätte für all die Tiere wurden, die bei der Ausrodung aus ihren Schlupfwinkeln aufgescheucht worden waren. In diesen Holz- und Strauchhaufen steckten nun diese Tiere drin, bis der Tag des Anzündens kam. Dann, wenn Qualm und Feuer aufschlugen, begann es, bei hellem Tagesschein, in dem Strauchhaufen lebendig zu werden, und nach allen Seiten hin jagten nun die geängstigten Tiere, wilde Katzen, Iltisse, Marder, Füchse und Wölfe über das Feld. Ebenso wurde ein Vernichtungskrieg gegen Wildbret und Geflügel geführt, und jeder Haushalt hatte Überfluß an Hirschen, Rehen, Hasen, Sumpfhühnern und wilden Enten. Hasen gab es so viel, daß die Knechte, wenn sie gemietet wurden, sich ausmachten, nicht öfter als zweimal wöchentlich Hasenbraten zu kriegen.
    Der Boden im Bruch war ein schönes, fettes Erdreich, mit vielem Humus, der sich seit Jahrhunderten aus dem Schlamme der Oder und aus der Verwesung vegetabilischer Substanzen erzeugt hatte. Dies erleichterte die Bewirtschaftung; auch diejenigen Kolonisten, die nicht als Ackersleute ins Land gekommen waren, fanden sich leicht in die neue Arbeit und Lebensweise hinein, die, ob ernster oder leichter betrieben, jedem seinen Erfolg sicherte. Man streute aus und war der Ernte gewiß. Es wuchs ihnen zu. Alles wurde reich über Nacht.
    Dieser Reichtum war ein Segen, aber er war zum großen Teil so mühelos errungen worden, daß er vielfach in Unsegen umschlug. Man war eben nur reich geworden; Bildung, Gesittung hatten nicht Schritt gehalten mit dem rasch wachsenden Vermögen, und so entstanden wunderliche Verhältnisse, übermütig-sittenlose Zustände, deren erste Anfänge noch der große König, der »diese Provinz im Frieden erobert hatte«, miterlebte und die bis in die Mitte dieses Jahrhunderts hinein fortgedauert haben. Ein Brief aus dem Jahre 1838 schildert die Zustände des damaligen Oderbruchs wie folgt:
    »Die Verhältnisse, die ich hier vorgefunden, sind die, durch alle Jahrhunderte hin immer wiederkehrenden, einer Viertel- und Halbkultur, Zustände, wie sie zu jeder Zeit und an jedem Orte sich einstellen, wo in noch völlig rohe und barbarische Gemeinschaften, ohne Zutun, ohne Mitwirkung, ohne rechte Teilnahme daran, ein Stück Kultur von außen her hineingetragen wird. Das Wesen dieser Art von Existenzen ist die Disharmonie, der Mißklang, der Widerstreit. Durch gewisse Bildungsmanieren bricht immer wieder die alte Roheit durch, und im Einklange hiermit begegnet man auch in diesen reichen Oderbruchdörfern einem beständigen Gegensatze von Sparsamkeit und Verschwendung, von Kirchlichkeit und Aberglauben, von Ehrbarkeit und Sittenverderbnis. Der Bauer schreitet im langen Rock, ein paar weiße Handschuh an den Händen, langsam und gravitätisch nach der Kirche; aber er sitzt am Abend oder Nachmittag desselben Tages (einige beginnen gleich nach der Kirche) im ›Gasthofe‹ des Dorfes und vergnügt sich bei Spiel und Wein. Die Würfel rollen über das Brett, der sogenannte ›Tempel‹ wird mit Kreide auf den Tisch gemalt, alle Arten von Hazardspielen lösen sich untereinander ab, und um hundert Taler ärmer oder reicher, wüst im Kopfe, geht es weit nach Mitternacht nach Haus.
    Und ähnlich in den Haushaltungen; krasser Luxus und das völlig mangelnde Verständnis für das, was wohltut und gefällt, laufen nebeneinander her. In dem Wohnzimmer steht ein großes Sopha mit blauseidenem Überzug, aber der Überzug ist zerrissen und eingefettet. Der Kupferstich an der Wand hängt völlig schief und kein Auge sieht es. Das Glas des andern Bildes ist mitten durchgesprungen und niemand denkt daran, es zu ersetzen. Die eine Tochter des Hauses sitzt am Fenster und näht, aber in dem Zimmer, das ebenso gut wie ein Sopha und Fortepiano doch auch einen Nähtisch haben könnte, fehlt dieser, und auf dem Fensterbrette steht nichts als ein Zigarrenkasten, der als Herberge für Knöpfe und Knäuel, für Lappen und Flicken dient. Nun geht es zu Tisch. Alles reichlich, aber auch nichts mehr. Die Magd mit klappernden Holzpantinen setzt die Speisen auf, das Stück Fleisch liegt unschön zerhackt auf der Schüssel; die Teller sind

Weitere Kostenlose Bücher