Wanderungen durch die Mark Brandenburg
verschieden an Stoff und Form, die Messer und Gabeln sind abgewaschen, aber nicht blank geputzt; von Tischgebet keine Rede. So nimmt man Platz und schweigend, unschön, ohne Dank beginnt und endet die Mahlzeit.
So ist es alltags. Einzelnen, für schweres Geld erstandenen Glanz- und Prachtstücken wird die Pflicht des Repräsentierens auferlegt; die Personen aber entschlagen sich desselben. Denn es ist unbequem. Das Ganze, um es noch einmal zu sagen, ein bunter Widerstreit von herrschaftlicher Prätension und bäuerlicher Gewohnheit.
Die Festtage des Hauses ändern das Bild, aber sie bessern es nicht. Ich habe hier Taufen und Hochzeiten beigewohnt, die mir unvergeßlich bleiben werden. Wirt und Gäste wetteifern in Staat. Wagen auf Wagen rollt vor: Chaisen mit niedergeschlagenem Verdeck; die wohlgenährten Pferde tragen mit Silber beschlagenes Geschirr, der Kutscher ist in Livree und die Damen, die aussteigen, sind in Samt und Seide. Musici spielen; die Tische brechen unter der Last der Speisen; die Champagnerpfropfen knallen und der Flur ist mit Zucker bestreut, um die Fliegen von den Tafelgästen möglichst fern zu halten. Dann wildes Juchen und Lichter, halberstickt in Tabaksqualm. Spiel und Tanz und Lärm, und ein Faustschlag auf den Tisch machen den Schluß des Festes. Bauernhochzeiten zeichnen sich freilich überall durch eine gewisse Reichtums-Entfaltung aus, aber diese selbstbewußte, zur Schau getragene Opulenz, hält sich an andern Orten innerhalb gewisser bäuerlicher Traditionen. Hier sind diese Traditionen durchbrochen und jeder versucht es, gleichsam auf eigne Hand, seiner Eitelkeit, und meist nur dieser, ein Genüge zu tun.
Auch Gutem und Tüchtigem bin ich in diesen Dörfern vielfach begegnet; aber zumeist doch jener Tüchtigkeit nur, die aus einem starken Egoismus und dem Instinkte des Vorteils hervorgeht. Die Wurzeln aller Kräfte, die hier tätig sind, sind Selbstsucht und Selbstbewußtsein. Die Zeit soll noch erst kommen, wo die hohen Kräfte des Lebens hier lebendig werden.«
Seit jenem Briefe, der die damaligen (1838) Sittenzustände des Bruchs eher zu mild als zu streng schildert, sind mehr als vierzig Jahre vergangen, und dieser Zeitraum hat bis auf einen gewissen Punkt die Wünsche erfüllt, mit denen der Brief schließt. Es ist besser geworden. Der bloße Geld- und Bauernstolz hat dem Gefühl von den Aufgaben des Reichtums Platz gemacht und an die Stelle jener Selbstsucht, die nur an sich und den engsten Kreis denkt, ist der wenigstens erwachende Sinn für das Allgemeine getreten. Es dämmerte eine Vorstellung in den Gemütern von der Gegenseitigkeit der Pflichten, eine Ahnung davon, daß die blanken Taler einen andern Zweck haben, als bei dem Nachbar Geizhals im Kasten zu liegen, oder vom Bruder Verschwender bei vingt un und »blüchern« vergeudet zu werden. Die üblen Folgen des »rasch reich geworden Seins« verschwinden mehr und mehr, und die Segnungen festen, soliden, ererbten Besitzes treten in den Vordergrund. Man läßt den Schein fallen und fängt nicht nur an, sich des dünn aufgetragenen und überall absplitternden Lacks zu schämen, sondern lebt sich auch mehr und mehr in jenes Adels- und Standesgefühl hinein, das durch Jahrhunderte hin die niedersächsischen Bauern so rühmlich auszeichnete.
Mögen unsere Oderbrücher, nach der wilden Tugend ihres ersten Jahrhunderts, immer fester werden in Schlichtheit, Sitte, Zucht.
Freienwalde
1. Von Falkenberg nach Freienwalde. Die Stadt. Der Ruinenberg. Monte Caprino
Hier schmucke Häuschen schimmernd
Am grünen Bergeshang;
Dort Sicheln und Sensen blitzend
Die reiche Flur entlang;
Und weiterhin die Ebne,
Die stolz der Strom durchzieht...
Uhland
Nehmt Kinder, nehmt! es ist kein Traum,
Es kommt aus Gottes Haus.
W. Müller
Freienwalde – hübsches Wort für hübschen Ort. Seine Rechtschreibung schwankt; aber ob wir Freienwalde schreiben (von »frei im Wald«) oder Freyenwalde (von Freya im Wald), in den Marken gibt es wenig Namen von besserm Klang.
Viele Wege führen hin; dies hat es mit berühmteren Plätzen gemein. Wir wählen heute nicht die kürzeste Strecke quer über das Plateau des Barnim, sondern die üblichste, über Neustadt-Eberswalde, die trotz des Umweges am raschesten zum Ziele führt. Bis Neustadt Eisenbahn, von da aus Post. Der Neustädter Postillon, einer von den alten, mit zwei Tressen auf dem Arm, bläst zum Sammeln, und während links die weiße Wolke des dampfenden Zuges am Horizont
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