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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Korridor hinaus und steigen einige Stufen treppab, um nach jenem besten Erinnerungsstück des Hauses zu suchen, das vor siebzig Jahren oder mehr der Jubel eines heiteren Prinzen und der Schrecken alter Hofdamen war. Wir meinen natürlich die Drehorgel. Da steht sie verstaubt im Keller. Wir legen die Kurbel an, die sich unter einem Ballen Flachs und Heede findet, und beginnen zu drehen. Aber die Harmonie ist hin. Die heiteren Töne springen nicht mehr elastisch vom Lager auf; lahm, gebrochen, verstimmt ziehen sie langsam durch die Luft und hallen düster und unheimlich von der Kellerwand zurück.
     
    Schloß Freienwalde ist jetzt unbewohnt. Von Zeit zu Zeit hat es freilich noch seine Gäste, aber Laune und Zufall gefallen sich darin, die sommerliche Villa vor allem zu einem winterlichen Jagdschloß zu machen. Im Dezember, bei grauem Himmel, wenn Weg und Steg unter fußhohem Schnee liegen, dann wird es lebendig hier. Aber nur auf Stunden.
    Dann, um Mitternacht, mit Peitschenknall und Schellengeläut jagen Schlitten durch die Straßen der tiefstillen Stadt den Berg hinauf, den Park hindurch bis vor das verschneite Schloß. Fackeln und Windlichter werfen ihren Schein auf die aussteigenden Gäste – hohe heitere Gestalten, die den Schnee von ihren Pelzen schütteln. Sie treten auf wie solche, die hier zu Hause sind. Diener mit Taschen und Jagdgerät, mit Büchsensäcken von rotem Juchtenleder, fliegen treppauf, alle Fenster werden hell, hinter den herabgelassenen Rouleaus bewegen sich einzelne Schatten, dann wieder wird es stiller, und nur von Zimmer zu Zimmer knarrt noch der Ton, womit der müde Fuß aus dem Stiefel fährt. Noch ein kurzer Befehl, eine »gute Nacht« und alle Lichter löschen aus.
    Eh' der Tag graut, ist das Schloß wieder leer. Nur halbverwehte Schlittengeleise und lange Streifen, die die Spitze der Parforcepeitsche durch den Schnee zog, zeigen noch den Weg, den die Gäste auf ihrer Weiterfahrt genommen.
    Und das Schloß liegt stiller da wie zuvor.
    Alles was kam und ging war wie ein Traum.
     
4. Der Gesundbrunnen
     
    Hier an der Bergeshalde
    Verstummet ganz der Wind, –
    Die Zweige hängen nieder.
    Th. Storm
     
    »Der Freienwalder Gesundbrunnen liegt eine kleine Viertelmeile von der Stadt gegen Süden hin, in einem von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenen Tal; die anmutigen Berge sind mit Eichen, Buchen, Fichten, auch niedrigem Baum- und Strauchwerk bewachsen und haben viele gute Kräuter.« So schrieb Thomas Philipp von der Hagen, dem wir die erste Beschreibung Freienwaldes verdanken, vor etwa hundert Jahren, und wir wüßten nicht, was wir an dieser Darstellung zu ändern hätten.
    Aber wenn nicht das Brunnental selbst, so hat doch der Weg hinaus seinen Charakter verändert. Was damals eine »Allee« war, ist jetzt eine städtische »Straße« geworden und hinter den schönen Lindenbäumen, die nach wie vor den Weg einfassen, erheben sich, des Schlosses und Schloßgartens zu geschweigen, allerhand Villen, Hotels und Gärten, aus denen hervor im Mai die weißen Blüten und im September die roten Äpfel lachen. Der ganze Weg zum Brunnen hinaus der einen oder andern unserer Tiergartenstraßen nicht unähnlich.
    Dieselben Hügelreihen, die den Weg zum Brunnen bilden, bilden schließlich auch das Brunnental selbst, das nichts anderes ist als eine etwas erweiterte Talschlucht, ein Kessel, zu dem sich der Weg verhält wie eine schmale Straße zu einem breiten Platz, auf den sie mündet.
    Es ist ein Septembernachmittag. An Linden und Sommerhäusern, zuletzt an der reizend gelegenen Papenmühle vorbei, über deren stillen Teich die Schwäne ziehen, haben wir unseren Gang von der Stadt aus gemacht und unser Ziel: den Gesundbrunnen erreicht. Die Saison ist schon vorüber; aber die Quellen sprudeln weiter und die Nachmittagssonne steht ruhig über dem Tal und wärmt mit ihren Strahlen die schon herbstesfrische Luft. Ein Kellner, der die traurige Verpflichtung hat, seine Zeit hier abzuwarten, bis die de facto bereits beendigte Saison auch de jure geschlossen sein wird, begrüßt uns, wie der Gefangene den Schmetterling begrüßt, der an seinem Fenster vorüberfliegt. Wir erschienen ihm wie Boten aus dem Lande seiner Sehnsucht. Jedenfalls ließ seine Willfährigkeit nichts zu wünschen übrig und gemeinschaftlich anfassend ward an der sonnigsten Stelle des Gartens ein Kaffeeplatz ohne Zwang und Mühe arrangiert. Die Zusammensetzung geschah aus den üblichen Requisiten: einem weißgestrichenen Tisch mit

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