Wanderungen durch die Mark Brandenburg
und Führung. Das Gemeine blieb machtlos über ihn, und so ging er durchs Leben, wie gefeit durch den Adel seiner Gesinnung.
Zu diesen Bemerkungen, die darauf aus sind, die Gesamterscheinung Alexanders von der Marwitz ins Auge zu fassen, glaubte ich gleich anfangs schreiten zu dürfen, und der Name Johann von Müllers bot die beste Gelegenheit dazu. Eben dieser war die vollendete Vereinigung von geistiger Kraft und Charakterschwäche, von hohem Erkennen und niedrigem Handeln. Marwitz übersah in Milde, was ihm nicht paßte, und bewunderte, was ihm der Bewunderung wert erschien. Auch die Antipathien des älteren Bruders, wie bereits hervorgehoben, störten ihn hierin nicht.
Um Ostern 1804 verließ er das graue Kloster und bezog die Universität Frankfurt, um daselbst die Rechte zu studieren. In dem bereits zitierten Schulprogramm des genannten Jahres heißt es: »Alexander von der Marwitz bildete bei uns seine glücklichen Naturanlagen mit rühmlichen Fleiße aus und empfahl sich durch ein feines und anspruchloses Betragen. Er hat in den meisten Fächern des Unterrichts, besonders in der alten Literatur, glückliche und ausgezeichnete Fortschritte gemacht.« Er blieb nur ein Jahr in Frankfurt, dessen Stern sich damals bereits im Niedergange befand. Halle lockte ihn und in Halle vor allem der Name Wolfs. Johann von Müller schrieb an den letzteren: »Diesen Gruß bringt Ihnen Alexander von der Marwitz. Ich brauche ihn nicht zu empfehlen, weil Sie selbst bald sehen werden, wieviel in ihm ist.«
Mit immer wachsendem Eifer ging er hier an das Studium der Alten; daneben beschäftigten ihn Geschichte und Philosophie, und wie er zwei Jahre zuvor unter den Schülern des grauen Klosters der tonangebende gewesen war, so arbeitete er sich auch hier zu gleichem Ansehen durch. Die Kommilitonen weder meidend noch suchend, immer er selbst, ernst ohne Hochmut, freundlich ohne Vertraulichkeit, so beherrschte er sie, gleich angesehen an Wissen wie an Charakter. Diese Herrschaft war das natürliche und deshalb unvermeidliche Resultat seiner Überlegenheit; dennoch beklagte sein älterer Bruder in späteren Jahren diese frühen und unbedingten Erfolge, die zuletzt ein Hochgefühl des eigenen Wertes groß zogen, das schwindlig machte.
In Halle war Marwitz anderthalb Jahre. Kurz vor der Jenaer Schlacht verließ er die Universität und begab sich nach Friedersdorf, um in Abwesenheit des älteren Bruders, der, wie wir wissen, als Adjutant des Prinzen Hohenlohe wieder in die Armee getreten war, die Verwaltung des Guts zu übernehmen. Mit der Kraft und raschen Umsicht, die ihm überall, damals wie später, zu Gebote stand, auch wo es die praktische Seite des Lebens galt, griff er in die Wirtschaftsführung ein, und ohne jemals vorher sich um landwirtschaftliche Dinge im geringsten gekümmert zu haben, übersah er die Verhältnisse sofort und setzte später den heimkehrenden Bruder durch die Ordnung, die dieser vorfand, in Erstaunen. Seine Wirtschaftsführung während eines vollen Jahres war eine musterhafte gewesen, nur sein überaus reizbares Temperament hatte im Winter 1806 auf 1807 die Verwaltung des Guts und mehr denn das, sein eigenes Leben in Gefahr gebracht. Wir lernen hier eine neue Seite seines Charakters kennen. Die Beschäftigung mit den Wissenschaften, weit entfernt davon, ihm »die Blässe des Gedankens anzukränkeln« oder das innere Feuer, das nach Taten dürstete, zu dämpfen, hatte seine ganze leidenschaftlich angelegte Natur nur noch glühender und leidenschaftlicher gemacht. Gegen Überlegenheit des Geistes und Charakters, wo er sie fand, verhielt er sich wie ein junger Königstiger, der ruhig wird in der Nähe des Löwen. Aber freilich, er fand diese Überlegenheit selten.
Sein auflodernder Zorn war es, der ihn, während seiner Gutsverwaltung, zu einer raschen Tat hingerissen hatte, die den Stempel der Ungerechtigkeit breit an der Stirne trug. Eine durch Nachbarn ihm zugefügte Unbill hatte er in einer Weise zu rächen gesucht, die von den damals die Landesobrigkeit bildenden Franzosen als ein Mißbrauch der Gewalt gestraft werden mußte. Er wurde nachts durch französische Gendarmen vom Gute fortgeholt und in Fesseln nach Küstrin abgeführt. Man hielt ihn schon für verloren; doch wurde die Sache durch vielfach tätige Verwendung schließlich auf gütlichem Wege beigelegt. Die Details über diesen Vorgang fehlen.
Ende Oktober 1807 traf der ältere Bruder wieder in Friedersdorf ein. Der Tilsiter Friede hatte zur
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